14.12.17-29.4.18 A GOOD NEIGHBOUR

14.12.17-29.4.18 A GOOD NEIGHBOUR

A GOOD NEIGHBOUR_ON THE MOVEPinakothek der Moderne Sammlung Moderne Kunst  (14.12.17-29.04.18) in Kooperation mit der 15. Istanbul Biennale 2017 und Elmgreen & Dragset.
Vlassis Caniaris What's North, What's South? (Children and Testimony), 1988 Draht, Kleidungsstücke sowie weitere Materialien, Maße variabel Courtesy Kalfayan Galleries, Athen - Thessalonikia good neighbour_on the move ist der Titel der 15. Istanbul Biennale 2017, kuratiert vom dänisch-norwegischen Künstlerduo Elmgreen & Dragset. Die Pinakothek der Moderne setzt das Projekt in München fort. a good neighbour_on the move zeigt rund 50 Arbeiten von zwölf internationalen Künstlerinnen und Künstlern, in denen sich Erfahrungen mit den Folgen globaler Konflikte, mit sozialer Kontrolle, Sichtweisen auf Geschlechterrollen und Formen des Zusammenlebens spiegeln. Wie haben sich unsere Vorstellungen von Heimat, Nachbarschaft und Zugehörigkeit in den vergangenen Jahren verändert? (Foto: Vlassis Caniaris What’s North, What’s South? (Children and Testimony), 1988 Draht, Kleidungsstücke sowie weitere Materialien, Maße variabel Courtesy Kalfayan Galleries, Athen – Thessaloniki) der ganze Text (Link aktiv ab 14.12.17, 12h)
a good neighbour_on the move versammelt Beiträge folgender Künstlerinnen und Künstler: Burçak Bingöl, geboren 1976 in Giresun, Türkei, lebt in Istanbul, Türkei Canan, geboren 1970 in Istanbul, Türkei, lebt in Istanbul Vlassis Caniaris, geboren 1928 in Athen, Griechenland, gestorben 2011 in Athen Vajiko Chachkhiani, geboren 1985 in Tiflis, Georgien, lebt in Berlin Andrea Joyce Heimer, geboren 1981 in Great Falls, Montana, USA, lebt in Ferndale, Washington, USA Gözde Ilkin, geboren 1981 in Kütahya, Türkei, lebt in Istanbul, Türkei Mirak Jamal, geboren 1979 in Teheran, Iran, lebt in Berlin Mahmoud Khaled, geboren 1982 in Alexandria, Ägypten, lebt in Trondheim, Norwegen Victor Leguy, geboren 1979 in São Paulo, Brasilien, lebt in São Paulo Olaf Metzel, geboren 1952 in Berlin, lebt in München Erkan Özgen, geboren 1971 in Mardin, Türkei, lebt in Diyarbakir, Türkei Stephen G. Rhodes, geboren 1977 in Houston, Texas, USA, lebt in Berlin Die türkische Künstlerin Burçak Bingöl positioniert im Museum Überwachungskameras aus Keramik, die mit Blumenornamenten bemalt sind. Sie verweisen auf eine Gesellschaft, die sich ständig im Beobachtungsmodus befindet. Wir überwachen und kontrollieren – und sind gleichzeitig überall Beobachtete.
Wie beeinflussen Familie und Staat, Geschichte, Religion und Medien unsere Identität? In einem Animationsfilm erzählt die türkische Künstlerin Canan von einer jungen Frau, die – von ihren Eltern verheiratet – aus der ostanatolischen Provinz ins großstädtische Istanbul zieht. Der älteste Künstler der Ausstellung ist Vlassis Caniaris (gestorben 2011), der zu den einflussreichsten Künstlern seiner Generation in Griechenland zählt. Seine Themen – Freiheit und Fremdheit, Migration und Heimatlosigkeit, „Eliten“ und „Volk“ – sind heute aktuell wie nie zuvor. Caniaris‘ wegweisende Installation „What’s North, what’s South?“ (1988) bildet den Ausgangspunkt von a good neighbour_on the move. Was wissen wir von unseren Nachbarn? Wer ist uns nahe – und warum? Wie lebt der Mann, der in einem Film von Vajiko Chachkhiani (*1985) aus dem Fenster schaut? Was sieht er? Beobachtet er uns – oder beobachten wir ihn? Wo berühren sich unsere Lebenswelten? Die kleinformatigen Gemälde von Andrea Joyce Heimer erzählen in einer unmittelbaren, farbenfrohen Bildsprache und voller Humor von Verrücktheiten, kleinen Verschwörungen und anderen, oftmals skurrilen Vorgängen, die sich so (oder ähnlich) im Umfeld der Künstlerin zugetragen haben. Wieviel Nähe ist für eine gute Nachbarschaft notwendig, wieviel Nähe erträgt sie? Gözde Ilkin verarbeitet gefundene Kleiderstoffe und Tischtücher, die Spuren des Gebrauchs tragen. Die Künstlerin bestickt und bemalt sie mit Motiven, die Familienfotos entstammen, und macht auf diese Weise soziale Konstellationen – harmonische wie komplizierte – spürbar. Handelsübliche Gipskartonplatten dienen Mirak Jamal als Bildträger für Malereien und Zeichnungen, die in seiner Kindheit entstanden sind oder aber seine Kindheit reflektieren, welche der Künstler mit seiner Familie im Iran, in der UdSSR, in Deutschland und Nordamerika verbracht hat. Geschichte offenbart sich hier als ein Speicher disparater Erinnerungen sowie als provisorische veränderliche Konstruktion. „Der weinende Mann“ in der Spiegel-Skulptur von Mahmoud Khaled erinnert an einen jungen Ägypter, der 2001 zusammen mit 51 weiteren homosexuellen Männern festgenommen und angeklagt wurde, weil sie ein Fest gefeiert hatten. Wer fühlte sich davon gestört und weshalb?
Die Wandobjekte von Victor Leguy sind oberhalb einer gemeinsamen Horizontlinie mit weißer Farbe bedeckt, was die Betrachtung irritiert, aber auch Freistellen schafft. „Structures for Invisible Borders“ heißt Leguys 2015 begonnenes Projekt, das zusammen mit Einwanderern an unterschiedlichen Orten der Welt entsteht. Dabei könnte die Auflösung kultureller Klischees und historischer Festschreibungen zu einem unbefangeneren Zusammenleben beitragen. Spätestens 2015 wurde die Insel Lampedusa zwischen Tunesien und Sizilien zum Symbol für die Massenflucht aus Afrika wie für Migrationsbewegungen weltweit. Auf der gleichnamigen großen Plastik von Olaf Metzel, die eine zerknüllte Zeitung nachbildet, erscheint das Thema in medialer Distanz. Sind die besten Nachbarn solche, die wir nie zu Gesicht bekommen? Erkan Özgen lässt in seinem Film „Wonderland“ einen taubstummen Flüchtlingsjungen aus Syrien auf seine Weise erzählen, was er in seiner Heimat erlebt hat. Was ihm und seiner Familie genau widerfahren ist, lässt sich nur erahnen. Die Sprachlosigkeit wird zur Metapher. Stephen G. Rhodes empfängt die Ausstellungsbesucher mit einer großen Willkommensgeste, deren Herzlichkeit sich jedoch zwiespältig vermittelt. Über die gezeigten Arbeiten hinaus lässt a good neighbour_on the move spürbar werden, dass die globalisierte Welt auch das Selbstverständnis öffentlicher Museen und ihrer Ausstellungen verändert. Die Museen – wie auch die Künstlerinnen und Künstler – sehen sich in einer neuen gesellschaftlichen Situation. Und sie stehen einem interessierten, internationalen Publikum gegenüber, das oftmals andere Erwartungen hat als das bisherige. Dessen Perspektiven erweitern unser Verständnis von „Nachbarschaft“ – ob auf das private, häusliche Umfeld bezogen oder auf die Beziehungen zwischen Staaten und Kulturen.
BEGLEITVERANSTALTUNGEN Do 08. Februar 2018 | Künstlergespräch mit Elmgreen & Dragset DO 01. März 2018 | Künstlergespräch mit Olaf Metzel Dank an Elmgreen & Dragset 15th Istanbul Biennale | Istanbul Foundation for Culture and Arts (İKSV) PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne e. V.
 

Tags: