Dr. Winfried Rathkes Alternative Büttenrede
(vor 49 Jahren im Rheingau gehalten)
Helau, Ihr Leut, seid Ihr bereit ?
Hoch lebe unsre Fastnachtszeit !
Die Narren sind jetzt wieder los,
der Trubel ist schon riesengroß,
von früh bis spät ertönt ein Krach,
man pennt nicht mehr, ist dauernd wach.
Da fragt man doch: Was ist passiert,
daß alle seltsam kostümiert,
und mancher durch die Gegend fegt,
der auf dem Kopf ein Hütchen trägt ?
Das läßt sich nicht mit regulären
Worten hinreichend erklären.
Die Fastnacht ist ein Phänomen,
das kann man wenden oder drehn,
da werden Menschen, die bedrückt,
mit einem Schlag – total verrückt.
Sie sind – wie ihr ja deutlich seht –
meschugge, – das heißt – durchgedreht.
Vielleicht liegt es an Gamma-Strahlen
von außerirdischen Filialen,
die lautlos durch das Weltall kreisen,
und am Ozonloch dann entgleisen,
was auf der Erde dazu führt,
daß mancher den Verstand verliert.
Man redet dummes Zeug daher,
verhält sich auffallend vulgär,
reißt andern Leuten an der Wolle,
fällt mehrfach täglich aus der Rolle,
krakeelt nach Kräften Schunkellieder,
kurzum, man kennt uns kaum mehr wieder.
Wieso ist solche Wandlung möglich ?
Die Frage stellt sich fortan täglich.
Erläuternd meint die Wissenschaft,
mit großer Überzeugungskraft:
Die Fastnacht sei ein schweres Leiden,
doch Gottseidank nicht zu vermeiden.
Man spürt’s am ganzen Körper jucken,
tut sich vor Aufregung verschlucken,
die Kniee fangen an zu schwanken,
zum Schluß – verwirrn sich die Gedanken.
Auf einen Ruck ist jeder dämlich
denn das befiehlt das Datum nämlich.
Es ist die Zeit der tollen Tage,
so eine Art Idioten-Plage,
eine Verschwörung blöd zu werden,
die jährlich um sich greift auf Erden.
Es braust die hohe Irrsinns-Welle
vom Bodensee bis hoch nach Kölle.
Die Narren auch im Zickzack sausen
von Unteregg nach Oberhausen.
Die Tollwut wie’n Tsunami walzt.
Wen sie erfaßt, der tanzt und balzt,
schlägt hirnlos kichernd laut Radau,
brüllt mal ALAAF – und mal HELAU !
Der Unfug kennt bald keine Grenzen,
bringt uns mentale Insolvenzen,
dringt durch die Fenster selbst vom Klo,
und unterspült jedes Niveau.
Wir sitzen also praktisch Alle
beim Carneval – wie in der Falle.
Man fühlt sich, als sei man besoffen,
sogar das Fernsehn ist betroffen.
Der Unterhaltungs-Einheitsbrei
weicht einer schrillen Narretei.
Das Wort zum Sonntag macht jetzt Platz
dem Fastnachtsumzug mit Rabatz.
Beim Tatort gibt es statt der Tat
ein Hof-Ballet, das macht Spagat.
In Uniformen mit Kokarden
trompeten dazu Prinzengarden.
Sie schwenken ihre Narrenkappen
dazu qualmen am Fuß die Lappen,
die Schminke läuft über die Wangen
und wird vom Kragen aufgefangen.
An Oberschenkeln reißen Strapse,
zum Notarzt schleppt man die Kollapse.
Aber die schlimmste Überspitzung.
heißt heutzutage: Fernseh-Sitzung.
Da hockt ein Narren-Komitee
im ZDF und ARD,
im Frack stecken die größten Nieten,
die sich an Dummheit überbieten,
und Büttenredner schwätzen trist
dort ungebremst den letzten Mist.
Das klingt in etwa heutzutage,
genau wie das, was ich grad sage.
Und schalt ich um, auf RTL,
dreht sich das gleiche Karroussel.
Dort hüpfen abartige Jecken,
mit Papp-Nasen die uns erschrecken.

Da schwanken sogar die Kulissen,
wenn Elferräte ganz verbissen
mit ihren dritten Zähnen grinsen.
Das ist so blöd, man kann kaum hinsehn,
und dann – muß selbst das dümmste Schwein
auf ein Kommando – fröhlich sein.
Erschreckt sieht man auf allen Sendern,
wie sie dann ihr Benehmen ändern.
Sie tun sich hemmungslos besaufen
gehn fremden Menschen Freibier kaufen,
und schleudern, Masken vor der Fratze,
den Nachbarn Bonbons an die Glatze.
Und wie sie da so haltlos zechen
hört man sie nur in Reimen sprechen.
Sie lachen über alte Witze
und haben selbst die flieg’nde Hitze.
Die Weiber schneiden, klipp und klapp,
den Männern die Krawatten ab,
dann schmeißen sie noch mit Konfetti
und Luftschlangen, wie mit Spaghetti,
sie klecksen Dir auf Deine Hosen
Catchup und Vanille-Soßen.
Verschrammt ist plötzlich Deine Haut,
mit Lippenstift das Hemd versaut
Kapellen intonieren jäh
„Umba Umba täterä !“
„Ruckizucki“ brüllt die Menge
um sich hauend im Gedränge.
Verstört sitzen die Kleiderläuse
in Anzügen und weinen leise.
Hausstaubmilben, die am Stechen
kriegen Durchfall und Erbrechen.
Und Kerle mit entblößtem Ranzen
sieht man auf Gassen Hipp-Hopp tanzen.
Sie ziehen rum in Polonaisen,
als trügen sie Gehirnprothesen.
Nach ein paar Stunden, wo sie protzen,
falln sie um, und müssen kotzen.
Was kann man nun dagegen machen,
Soll man noch über sowas lachen ?
Man möchte ihnen – im Vertrauen –
am liebsten auf die Backen hauen.
Doch hilft kein Poltern und kein Schimpfen,
man kann auch nicht dagegen impfen.
Die Doofen sind zu übermächtig
schon wer sich wehrt, gilt als verdächtig,
und kriegt, wenn er zu stark verschüchtert
sogar noch Cognac eingetrichtert.
Man weiß oft nicht, nach zehn, zwölf Korn
wo’s hinten ist, – oder – wo’s vorn.
Nicht immer ist für Mensch und Tier
die Fassenacht deshalb ein Pläsier.
Vielleicht sollt man auch besser fragen:
Wie soll man solchen Quatsch ertragen ?
Am Besten ist, man bleibt zu Haus,
und sperrt den Wahnsinn einfach aus.
Man schließt sich ein paar Tage ein,
läßt Blöde einfach blöde sein,
und bindet sich die Augen zu.
Vielleicht hat man dann etwas Ruh.
Der Trick ist, daß man sich verpisst,
bis wieder Aschermittwoch ist.
Am Aschermittwoch stoppt das Fieber.
Die Krankheit ist gottlob vorüber
Es scheint, daß man Krawall vergißt
indem man sauren Hering frißt.
Und mancher Narr wird fast gesund,
(bis auf seinen Gedächtnisschwund).
Doch – ist – die Fassenacht vorbei,
und weiter tobt die Raserei,
Raketen krachen, Böller knallen,
und immer noch Besoff’ne lallen
und jemand steht vor Deiner Tür
mit einem Pappnasengeschwür,
und brüllt statt Hallo – laut HELAU, –
dann dreh sie um, die krumme Sau,
und tritt ihr kräftig in den Arsch,
und ruf dabei: Narrhalla-Marsch !














