5.5.15 Tutanchamun

5.5.15 Tutanchamun

Tipp: Die/Mi 5./6. Mai 2015, 20h Multimediavortrag von Dr. Zahi Hawass, Discovering Tutankhamun – From Carter to DNA (Englisch) Allerheiligenhofkirche
ZahiHawassDr. Zahi Hawass, der Indiana Jones der Ägyptologie, gilt als einer der einflussreichsten, aber auch umstrittensten Ägyptologen der Gegenwart. Tutanchamun ist sein Steckenpferd, ist es immer gewesen – kaum ein anderer Wissenschaftler hat sich mehr mit dem Kult-Pharao beschäftigt. Seine Leidenschaft für dieses Thema ist offensichtlich. Davon konnte man sich auf der heutigen Pressekonferenz im Bayerischen Hof überzeugen, wo er brennende Reden hielt, um vor allem drei Dinge ins Bewusstsein der Pressevertreter zu bringen, in der Hoffnung, dass diese die Message in die Welt hinaustragen: 1) Der lamentable Zustand der Kunstwerke in Kairo, 2) die Möglichkeit internationalen Fundraisings – er ist überzeugt, auf diese Weise immense Mittel sammeln zu können. 3) Die Notwendigkeit eines Teams internationaler Spezialisten. Das Grand Egyptian Museum (GEM) könne nicht regional verwaltet werden.
Am 5. Mai 2015 stellte Dr. Zahi Hawass zusammen mit Prof. Wilfried Seipel (ehemaliger Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien) das neue opulente Standardwerk über die Geschichte Tutanchamuns vor, das im Januar 2015 im Theiss Verlag erschienen ist: Tutanchamun – sein Grab und seine Schätze. Rund 200 Fotos, Karten und Illustrationen spannen auf 264 Seiten den Bogen von der Geschichte der Entdeckung des Grabes bis hin zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Mumien-Forschung. Professor Seipel ist der Übersetzer des Buchs und einer der Wegbereiter der Ausstellung: Tutanchamun, sein Grab und die Schätze, die vom 3.4.-13.9.2015 in der Kleinen Olympiahalle in München zu sehen ist.  der ganze Text

Zahi Hawass: „Ich sehe noch nicht, wie die Zukunft der ägyptischen Kunstschätze aussehen wird. 4500 Objekte gibt es im Kairo-Musum, 5390 in den Gräbern und unzählige Artefakte in Geschäften. Von der bisherigen Konservierung der Kunstwerke bin ich zutiefst enttäuscht und es macht mich sehr wütend. Und nicht nur mich. Ein kleines Beispiel: In San Diego zeigte mir eine junge Lady ihr Körper-Tattoo: Tutanchamon. Sie sagte, sie trage es, um ihrer Enttäuschung öffentlich Ausdruck zu verleihen, wie dilettantisch man mit diesen unermesslich wertvollen Kunstwerken umgehe. Heute Abend, bei meinem Vortrag (in Englisch) in der Allerheiligen Hofkirche in München: Discovering Tutankhamun – From Carter to DNA gehe ich auch auf dieses Thema ein. Mein Plan war, das GEM 2015 – als größtes Museum der Welt – zu eröffnen. Ich bezweifle, dass das gelingen wird. In Kürze wird in einem Fachteam erörtert, wie die Konservierung der Kunstgegenstände zu bewerkstelligen ist, die vom Ägyptischen Museum in Kairo zum GEM transferiert werden sollen. Wenn wir schon an dieser Hürde scheitern, sehe ich schwarz. Ein zweiter ausschlaggebender Punkt ist die Präsentation der Kunstwerke? Es gibt viel Platz, aber entscheidend ist, wie ein Museum seine ganz spezielle Identität bekommt, was von der Art der Präsentation abhängt. In einer meiner Kolumnen werde ich in Kürze das Thema behandeln, dass das GEM ein Schatz ist, mit dem sich keines der großen Museen der Welt messen kann. Voraussetzung dafür ist, wie schon gesagt, dass es von einer internationalen Kommission geleitet wird. Kein einziger Ägypter – Sorry! – hat auch nur annähernd eine Vorstellung davon, wie man so ein Museum gestaltet. Ich betrachte das Grand Egyptian Museum als Top-Projekt des 21. Jahrhunderts und als das wichtigste Projekt der Welt. Aber ohne finanzielle Mittel lässt es sich nicht entsprechend realisieren. Daher mein Plan: Internationales Fundraising. Davon verspreche ich mir sehr viel.“
WilfriedSeipelProf. Dr. Wilfried Seipel (ehemaliger Museumsdirektor des Kunsthistorischen Museums in Wien) gibt Zahi Hawass in allen Punkten recht und ergänzt, dass es seit der letzten Revolution (Januar 2011) allerorten an Mittel fehle, um Kunstprojekte fortzuführen. Auch die ägyptische Presse bremse viele Initiativen schon im Vorfeld notwendiger Restaurierungen aus. Die von 3.4. bis 13.9.2015 in der Kleinen Olympiahalle in München laufende Ausstellung: Tutanchamun, sein Grab und die Schätze und andere Ausstellungen dieser Art fungieren als Katalysatoren, um ein Bewusstsein für existierende Schätze dieser Art zu entwickeln. Viele Museen in Ägypten seien leer.  Würde das Bewusstsein für solche Kulturschätze wieder erwachen bzw. gestärkt werden, kämen die Touristen zurück nach Ägypten – auch nach Kairo, nicht nur ans Rote Meer zum Badeurlaub. Wir alle tragen eine Verantwortung für solche Kulturschätze. Dazu ergänzend Zahi Hawass: „dieser wunderbare Repliken-Ausstellung hier in München finde ich hervorragend, obwohl ich nie Repliken mochte. Sie geben so vieles wieder, was die Originale nie leisten könnten. Teilweise sind die Unterschiede zu den Originalen absolut nicht zu erkennen. In Ägypten schaden gerade die Besucher den Originalkunstwerken: Atmung, Berührung etc. Deshalb habe ich z.B. eine Replik vom Grab von Tutenchamun machen lassen.“ 
Ägypten als Reiseland hält Z.H. für absolut sicher. Die Presse vermittle ein falsches Bild, die –Touristen würden in Watte gepackt. Mehr als 300 Museen seien leer, das dürfe nicht sein. Der Tourismus muss wieder angefacht werden. Ein großes Problem sei, dass über 1/3 der ägyptischen Monumente bei der Revolution gestohlen bzw. illegal ausgeführt worden seien. Wer solche Objekte auf dem schwarzen Markt kaufe halte sie versteckt und sie wären für die Allgemeinheit verloren.
Auf der Pressekonferenz im Bayerischen Hof wurden noch andere Problempunkte angeschnitten. Die Rückführung ägyptischen Beuteguts wie z.B. Nofretete im Neuen Museum Berlin, um nur ein kostbares Exponat von weltweit verstreuten zu nennen. Hier schieden sich die Geister der beiden engagierten Fachmänner. Während Z.H. den Standpunkt vertritt, entsprechende Güter sollten an den Ursprungsort zurückgeführt werden (eine Meinung, die laut Umfrage auch viele  Deutsche teilten), hält es Wilfried Seipel für ausschlaggebend, dass eine  fachgerechte Konservierung und Instandhaltung gesichert sei. Nicht so sehr der Standort.
Ebenso unterschiedlich wurde die Sinnhaftigkeit einer Mumienausstellung beurteilt. Während W.S. eine solche Ausstellung ethisch eher für fragwürdig hält, sprach Hawass (um dessen Ahnen es letztendlich ja geht) nachgerade begeistert von den Möglichkeiten so einer Exposition. Heraus mit den Königen (als Repliken) aus den Dunkelkammern und jede einzelne Mumie darstellen – mit allem, was sie zu Lebzeiten gemacht hat. Sie könnten uns so unendlich viel lehren, werden aber – der Totenehre halber – weggesperrt.  Jeder mumifizierte König muss als Mittelpunkt dienen und drum herum alles dargestellt werden. Ich bin ganz angesteckt von dieser Begeisterung und könnte mir gut vorstellen, dass man – entsprechend modern präsentiert – gerade jüngere Leute mit so einer Ausstellung hereinlocken könnte. Vielleicht sollte man – wegen der Pietät – nicht grade Halloween als Eröffnungstag so einer Ausstellung ins Auge fassen… (Rena Sutor/PTM, am 05.05.15)


Mehr Info: 2005 ließ Zahi Hawass zur Bestimmung von Tutanchamuns Todesursache dessen Mumie computertomografisch untersuchen. 2010 erlangte er erneut weltweite Beachtung, als es ihm gelang die DNA Tutanchamuns zu bestimmen. In seinem Vortrag in englischer Sprache spricht er in München über die neuesten Erkenntnisse rund um Tutanchamun und die 18. Dynastie und stellt sein neues Buch vor. (Tipp: Die/Mi 5./6. Mai 2015, 20h Multimediavortrag von Dr. Zahi Hawass, Discovering Tutankhamun – From Carter to DNA (Allerheiligenhofkirche )
Das neue opulente Standardwerk über die Geschichte Tutanchamuns erschien im Januar 2015 im Theiss Verlag. Rund 200 Fotos, Karten und Illustrationen spannen auf 264 Seiten den Bogen von der Geschichte der Entdeckung des Grabes bis hin zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Mumien-Forschung. Übersetzt wurde das Werk von Wilfried Seipel, dem ehemaligen Museumsdirektor des Kunsthistorischen Museums in Wien und einer der Wegbereiter der Ausstellung Tutanchamun – sein Grab und seine Schätze.
Es gibt wohl kaum eine andere Hochkultur, deren Kenntnis und Wahrnehmung im Bewusstsein einer großen Öffentlichkeit mit dem Namen einer einzigen historischen Gestalt verbunden ist, wie die pharaonische: Seit fast hundert Jahren kreist die Begeisterung, ja die Faszination des alten Ägyptens um die Entdeckung, den Glanz und die Geschichte der Grabschätze und der Person des jung verstorbenen Königs Tutanchamuns. Schon in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts waren der Pharao und seine damals durch Europa tourenden Ausstellungen Party-Gespräch und ein willkommenes, weit verbreitetes Thema in allen Medien. Die Ursachen dafür sind vielfältig und nachvollziehbar. Dennoch hat sich in den letzten Jahren unser Bild von Tutanchamun und seinem Stellenwert gewandelt. Immer deutlicher konnten seine Bedeutung für die ägyptische Geschichte, seine Familienverhältnisse, aber auch seine ganz persönlichen Lebensumstände von der ägyptischen Archäologie herausgearbeitet werden. Naturwissenschaftliche Untersuchungen, neue Methoden und Erkenntnisse der Genforschung aber auch archäologische Feinarbeit haben unser Verständnis Tutanchamuns und seiner Zeit in ein neues, spannendes Licht gerückt.
Und Zahi Hawass, der über Jahrzehnte für die ägyptische Altertumsverwaltung verantwortlich war und der es als eine seiner Lebensaufgaben ansieht, sich mit dem Schicksal und der Bedeutung des jungen Pharaos zu beschäftigen, hat mit seinem jetzt auch auf Deutsch erschienenen Buch Auf den den Spuren Tutanchamuns eine tiefgreifende Zusammenfassung der neuesten Forschungsergebnisse geliefert.
Mit der Ausstellung Tutanchamun – sein Grab und seine Schätze in München ist überdies ein neuer Kristallisationspunkt gegeben, der einem auch jungen Publikum einen spannenden Zugang zu einer prächtigen Vergangenheit Ägyptens ermöglicht.
Die nicht zuletzt durch die jüngsten Medienberichte angefachte Diskussion über das Schicksal und den Zustand der Grabschätze des Tutanchamun in Kairo – man denke an die Diskussion über den abgebrochenen Bart der Goldmaske, an die Falschmeldung über den zerbrochenen „Hocker“ des Tutanchamun und die angeblich gefälschten „Gänse von Meidum“ – kann mit Dr. Zahi Hawass und Prof Dr. Wilfried Seipel, dem Übersetzer der deutschen Ausgabe des Buches, weitergeführt werden. Hierbei sollen auch die großen Museumspläne Ägyptens nicht ausgespart werden. Letztlich geht es nicht um Tutanchamun allein sondern auch um die Zukunft der ägyptischen Museumslandschaft nach der Revolution am 25. Januar 2011. Die Begeisterung für das alte Ägypten ist nach wie vor ungebrochen.

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