27.11.14-9.3.15 Courbet > Daubigny


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Courbet>Daubigny27.11.2014-09.03.2015 Courbet > Daubigny
 Das Rätsel der »Schleuse im Tal von Optevoz« Pinakothek der Moderne
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das jüngst restaurierte Gemälde »Schleuse im Tal von Optevoz«, das vor mehr als hundert Jahren als Werk Gustave Courbets erworben wurde, und die Dokumentation seiner überraschenden, ungewöhnlichen Geschichte. Das Bild zeigt eine markante, felsige Landschaft mit einem Schleusentor, ein Stück Natur aus dem ländlichen Frankreich fernab der Metropole Paris. Die Schleuse im Tal des Amby bei Optevoz liegt im Südosten des Landes, etwa vierzig Kilometer östlich von Lyon.
An Courbet erinnern die nüchterne Auffassung der Landschaft und die pastose Ausführung einzelner Bildpartien wie Felsen und Wasser. Auch die etwas düstere, melancholische Stimmung und nicht zuletzt die Signatur Courbets haben dem Bild seit seiner Erwerbung für die Neue Pinakothek im Jahr 1909 einen festen Platz in der Courbet-Literatur gesichert. Das Motiv und die Komposition jedoch sind untrennbar mit dem Werk Charles-François Daubignys verbunden, vor allem mit der großen Fassung der »Schleuse im Tal von Optevoz« in Rouen, die 1855 im Pariser Salon ausgestellt war.
Erste Zweifel
Die Überzeugung, es hier mit einer frühen Landschaft Gustave Courbets zu tun zu haben, wurde bereits in den 1990er Jahren erschüttert, als bei einer Untersuchung des Gemäldes neben der deutlich lesbaren Signatur Courbets eine zweite, nur im Infrarotreflektogramm sichtbare Signatur Daubignys zum Vorschein kam. Daubigny hat sich mit dem Motiv der Schleuse in mehreren Werken besonders intensiv auseinandergesetzt hat, während man von Courbet nicht weiß, ob er diese Gegend überhaupt jemals besucht hat. Dieser Fund warf die Frage nach der Autorschaft des Gemäldes auf. Stammt es wirklich von Courbet, oder gibt es einen zweiten Maler? Jüngste Untersuchungen erwiesen dann, dass der schwere, etwas düstere Charakter der Landschaft hauptsächlich von einer Übermalung herrührt, die nicht zum ursprünglichen Bestand des Bildes gehörte, sondern nachträglich aufgebracht wurde. Dieser obersten Schicht der Übermalung gehörte jedoch auch die Signatur Courbets an.
Ab 2011 konnte mit Unterstützung der Fondation BNP Paribas und BNP Paribas Deutschland die Restaurierung des Gemäldes fortgesetzt und abgeschlossen werden. Bei der Maßnahme wurde die Übermalung in zeitaufwendiger Präzisionsarbeit unter dem Stereomikroskop vollständig abgenommen. Dabei kamen weitere Funde zum Vorschein. So zum Beispiel Streifen von Zeitungspapier, die als Randanstückung bei der Doublierung vor der Übermalung verwendet wurden, Seiten einer Pariser Tageszeitung mit Börsenkursen. Für die Frage, wann die Doublierung mit der entstellenden Übermalung erfolgt ist, konnte dies ein entscheidender Hinweis sein. In den wenigen lesbaren Fragmenten fanden sich denn auch Unternehmen und Aktiengesellschaften genannt, die erst ab den 1880er und 1890er Jahren an der Börse gehandelt wurden. Es wurde klar, dass diese Veränderung des Bildes frühestens 1894 und damit erst lange nach dem Tod Courbets erfolgt sein kann – der Künstler starb 1877. Also ursprünglich ein echter Daubigny, der postum in einen falschen Courbet verwandelt wurde?
Spannende Provenienz
Nun gehört das Gemälde aber zu jenen Werken der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts in der Neuen Pinakothek, deren Erwerbung mit dem Namen Hugo von Tschudis verknüpft ist, dem legendären Direktor der Münchner Sammlungen, der in den nur zwei Jahren seiner Tätigkeit bis zu seinem frühen Tod 1911 die Weichen für eine Öffnung der Sammlung hin zur französischen Moderne gestellt hat. Zu den Werken, die Tschudi angekauft oder deren Erwerbung durch Mäzene er in die Wege geleitet hat, gehören Meisterwerke wie Manets »Le déjeuner« und van Goghs »Sonnenblumen« – und eben auch die »Schleuse im Tal von Optevoz«. Hinzu kommt, dass das Gemälde aus einer renommierten Pariser Sammlung stammt: jener von Théodore Duret, dem namhaften Kunstkritiker, Autor und Sammler, einem Freund der Künstler, mit Courbet seit 1862 persönlich bekannt. Ein solches Bild, von einem der besten Kenner erworben, aus einer Sammlung, die für größte Authentizität zu bürgen schien, soll zweifelhaft sein?
Die Ausstellung geht diesen Fragen nach und präsentiert neben dem frisch restaurierten Gemälde der Neuen Pinakothek weitere Werke Daubignys aus französischen und deutschen Sammlungen, die das künstlerische Umfeld beleuchten. Die große Version der »Schleuse« aus dem Musée des Beaux-Arts in Rouen sowie zwei weitere Fassungen des Motivs aus dem Louvre und der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ermöglichen es, das Münchner Bild mit anderen für Daubigny gesicherten Versionen zu vergleichen. Zusätzlich veranschaulicht eine zweite große Landschaft Daubignys, das »Tal bei Optevoz« aus dem Schloss in Compiègne, die Bedeutung Daubignys als einer der Begründer der realistischen Landschaftsmalerei in Frankreich. Weiterhin sind einige der frühen Radierungen Daubignys und frühe Fotografien aus der Gegend von Optevoz des Malers und Fotografen François-Auguste Ravier zu sehen, beeindruckende Dokumente der künstlerischen Erkundung dieser Landschaft auf der Suche nach unberührter, zivilisationsferner Natur in der französischen Provinz, wie es für die Maler der Schule von Barbizon kennzeichnend ist.
Die Restaurierung der »Schleuse im Tal von Optevoz« wurde gefördert durch die Fondation BNP Paribas und BNP Paribas Deutschland.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hirmer Verlag mit Beiträgen von Côme Fabre, Eva Ortner und Herbert W. Rott, 104 Seiten mit 95 Abbildungen, im Museum 16,80 Euro.
Kuratoren: Herbert W. Rott, Eva Ortner

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