10.6.12-13.1.13 Geschichten im Konflikt

10.6.12-13.1.13 Geschichten im Konflikt

10.06.12 – 13.01.13 Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1937-1955. Symposium am Samstag/Sonntag, den 9./10.06.12, 10-18h
Im Jahr 2012 jährt sich die Eröffnung des Haus der Kunst zum 75. Mal. Gleichzeitig blickt das Haus der Kunst auf sein 20-jähriges Bestehen als „Stiftung Haus der Kunst GmbH“ zurück. Die Ausstellung „Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1937-1955“ wurde aus diesen beiden Anlässen konzipiert. (Foto: Modell Haus der Deutschen Kunst im Deutschen Haus der Weltausstellung, Paris, 24. Mai-25. November 1937 Innenansicht (Ehrenpodium; links „Die vier Elemente“ von Adolf Ziegler) Fotografie von Heinrich Hoffmann. Bayerische Staatsbibliothek München/Fotoarchiv Hoffmann)
„Geschichten im Konflikt“ umfasst die Zeitspanne von 1937 bis 1955 und untersucht das historische Erbe des Museums im nationalen und internationalen Kontext. Zwei konkurrierende Perspektiven treffen in dieser Ausstellung aufeinander: die nationalsozialistische Propaganda reiner deutscher Kunst in den jährlichen „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ von 1937-1944, und die Diffamierung der künstlerischen Avantgarde in der Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937.
Schon vor dieser Ausstellung hat sich das Haus der Kunst mit seiner eigenen Geschichte auseinander gesetzt. Seit 1995 erforscht es diese Vergangenheit systematisch und stellt die Ergebnisse den Besuchern nicht nur temporär, sondern dauerhaft zur Verfügung – als historische Dokumentation im Flur des Gebäudes (seit 1996), durch Veröffentlichungen (von 1997, 2000 und 2007), mit der Öffnung seines Historischen Archivs (2005) und mit der Internet-Datenbank (2011).
Bisher galt die Recherche vor allem der Zeit des Dritten Reiches. Nun nimmt das Haus den Zeitraum von 1937 bis 1955 in den Blick. In diesen ersten 18 Jahren seiner Geschichte veränderten sich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse entscheidend, und die Weichen für die heutige Ausrichtung des Hauses wurden gestellt.
Die gegensätzlichen Kunstauffassungen dieser Zeitspanne waren beide in namhaften internationalen Großausstellungen vertreten: 1937 präsentierte die Pariser Weltausstellung ein Modell des „Hauses der Deutschen Kunst“ im deutschen Pavillon; mit der documenta 1 im Jahr 1955 gelang Arnold Bode mit Künstlern, die als „entartet“ abgeurteilt worden waren, die Verbindung zur internationalen Moderne. Die Ausstellung zeichnet diese Entwicklung in ihrem internationalen Zusammenhang nach und verdeutlicht exemplarisch, was Okwui Enwezor unter einem „reflexiven Museum“ versteht: der zeitgenössischen Kunst verpflichtet zu sein, und gleichzeitig die historische Dimension des Zeitgenössischen zu untersuchen und zu übermitteln.
Seit seiner frühsten Planungsphase ab 1933 war das „Haus der Deutschen Kunst“ Symbol für die Durchsetzung der nationalsozialistischen Kunstpolitik; hier fanden von 1937 bis 1944 jährlich die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ statt. Was in dieser Zeit als vorbildlich deutsche Kunst galt, lässt sich in der Ausstellung anhand einer exemplarischen Auswahl von Kunstwerken, Dokumenten, architektonischen Plänen, Fotografien und Tonaufnahmen ableiten. Zu dieser Auswahl gehört u.a. das Seestück „Im Kampfgebiet des Atlantiks“ von Claus Bergen, die allegorische Darstellung „Sinkende Nacht“ von Rudolf Hermann Eisenmenger und das Genrebild „Bauern im Gewitter“ von Hans Schmitz-Wiedenbrück. Für das breite Publikum mag es überraschend sein, dass diese Werke nicht nur für die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ ausgewählt wurden, sondern darüber hinaus von 1936 bis 1942 auch auf den Biennalen in Venedig als offizielle Kunstprodukte des nationalsozialistischen Deutschland einer internationalen Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
Ein wichtiges Kriterium für die Werkauswahl von „Geschichten im Konflikt“ war, dass die Gemälde und Plastiken zwischen 1937 und 1955 im Haus der Kunst oder in der 1937 gezeigten Femeschau „Entartete Kunst“ zu sehen waren. Diese von Joseph Goebbels verantwortete Schau wurde im nahegelegenen Galeriegebäude am Hofgarten gezeigt. Ausgestellt und hierfür aus öffentlichen Museen beschlagnahmt wurden u.a. Werke von Max Beckmann, Rudolf Belling, Otto Dix, Karl Hofer, Wassily Kandinsky, Paul Klee und Ernst Ludwig Kirchner. Das Anprangern dieser Namen, die schon damals im internationalen Kontext zu den bedeutendsten der modernen Kunst gehörten, kommentierte die New York Times am 25. Juli 1937 mit: „Modernismus is now verboten“.
Im selben Jahr standen auf der Pariser Weltausstellung das „Deutsche Haus“, der sowjetische sowie der spanische Pavillon in unmittelbarer Nachbarschaft. Im „Deutschen Haus“ diente ein Modell des „Haus der Deutschen Kunst“ als Werbeträger und Botschafter des nationalsozialistischen Staates. Es thronte dort als strahlender Mittelpunkt, für den Gerdy Troost, stellvertretend für den bereits 1934 verstorbenen Architekten Paul Ludwig Troost, den „Grand Prix“ erhielt. Gleich nebenan wurde im spanischen Pavillon u.a. Pablo Picassos „Guernica“ gezeigt. Das Gemälde galt schon damals als Antikriegsikone und Protest gegen die Zerstörung der gleichnamigen baskischen Stadt durch deutsche Fliegerbomben.
Nach dem Krieg, zwischen 1949 und 1955, bemühte man sich, die Kunst und Künstler, die vorher von den Nationalsozialisten abgelehnt worden waren, wieder anzuerkennen und der Moderne im Ausstellungsprogramm des Haus der Kunst Präsenz zu geben. In diesem Zeitraum war das Haus der Kunst der genaue Gegenentwurf zur Diffamierung der Avantgarde im Dritten Reich. Die Rückkehr der Moderne an den Ort, an dem Hitlers „Säuberungskrieg“ gegen die Avantgarde seinen Anfang genommen hatte, war Teil einer umfassenderen Neubewertung. Die wichtigsten Stationen in dieser Reihe von Ausstellungen waren „Der Blaue Reiter“ (1949), „Die Maler am Bauhaus“ (1950), Max Beckmann (1951), Frank Lloyd Wright (1952), Wassily Kandinsky und Paul Klee (1954) sowie die Picasso-Retrospektive im Jahr 1955 mit „Guernica“ als zentralem Werk.
Das Ausstellungsprogramm dieser Zeit ist exemplarisch mit Werken von u.a. Max Beckmann, Edgar Ende, Rupprecht Geiger, Karl Hofer, Paul Klee, Gabriele Münter, Ernst Wilhelm Nay, Toni Stadler, Fritz Winter und Mac Zimmermann vertreten. Ein Teil dieser Exponate war nach ihrer Präsentation im Haus der Kunst entweder auch auf den Biennalen ab 1948 zu sehen, oder auf der ersten documenta von 1955, mit der Arnold Bode einen intellektuellen wie moralischen Neubeginn anstrebte.
Werke wie die „Große Kniende“ von Wilhelm Lehmbruck (1911), „Badekabine (grün)“ von Max Beckmann (1928), „Eber und Sau (Wildschweine)“ von Franz Marc (1913) oder die Grafik „Figurenplan K 1“ von Oskar Schlemmer (1922), die in der Ausstellung von 1937 als „entartet“ gebrandmarkt worden waren, wurden dem Publikum der Nachkriegszeit als Vertreter der Moderne zugänglich gemacht. Für die Ausstellung „Geschichten im Konflikt“ kehren sie nun ein zweites Mal ins Haus der Kunst zurück.
Die Ausstellung wird auch mit Randbemerkungen zu dem, was bereits bekannt ist, überraschen: Wohl wegen einer Nachlässigkeit wurden zwei abstrakt gehaltene Skulpturen von Rudolf Belling in der Schau „Entartete Kunst“ vorgeführt, während gleichzeitig seine gegenständliche Darstellung des Boxers Max Schmeling im „Haus der Deutschen Kunst“ ausgestellt wurde. Sie werden nun alle drei im Haus der Kunst zusammengeführt.
Für „Geschichten im Konflikt“ hat das Haus der Kunst den Schweizer Konzeptkünstler Christian Philipp Müller eingeladen, zur Geschichte des Gebäudes eine Dramaturgie zu entwickeln. Sie besteht aus sechs Elementen. Die Erzählung beginnt an der Außenfassade, setzt sich in der Mittelhalle fort und führt über das Treppenhaus in die Nordgalerie des Museums. Das „Haus der Deutschen Kunst“ war für die nationalsozialistische Propaganda ein kostbares Gut, das es vor Kriegsschäden zu bewahren galt. Mit dunkelgrünen Tarnnetzen und künstlichen Baumkronen auf dem Dach wurde das Gebäude vor Luftangriffen geschützt. So überstand es den Krieg nahezu unbeschadet. Netze, die wie die Tarnnetze von damals an markanten Stellen von der Fassade herabhängen, greifen diesen Teil der Geschichte auf. Statt auf Unsichtbarkeit zielen sie in ihrer Buntheit jedoch auf erhöhte Wahrnehmung.
Ein weiteres Kapitel in Christian Philipp Müllers Intervention ist ein eigens für die Ausstellung produziertes Modell des „Hauses der Deutschen Kunst“ aus weißer Schokolade. Das verlockende Material stellt die Verbindung her zu der Verführungskraft, welche die Ideologie der 30er-Jahre entfaltet hat. Damals wurde das Modell des „Hauses der Deutschen Kunst“ wie ein Fetischobjekt eingesetzt, etwa beim Festzug „Glanzzeiten deutscher Kultur“ am Tag der Grundsteinlegung 1933 und bei den jährlichen Darbietungen am „Tag der Deutschen Kunst“. Für jeden dieser Anlässe wurde das Modell jeweils neu gefertigt. Eine Ausführung in Gold war Hermann Görings Geschenk zu Adolf Hitlers 50. Geburtstag. Das Schokoladenmodell ist eine Anspielung auf den „schönen Schein des Dritten Reiches“ (Peter Reichel, Politikwissenschaftler und Historiker).
Der Katalog bezieht die Beiträge des begleitenden Symposiums am 10. Juni mit ein und erscheint Anfang 2013. Zu diesem Zeitpunkt wird der Bestand des Archivs als ständige Ausstellung eingerichtet und für Forschung auf dem Gebiet von Archiven, Architektur und Ausstellung zugänglich sein.
Die Ausstellung wird von Sabine Brantl und Ulrich Wilmes kuratiert; das Ausstellungsdesign entstand aus der Zusammenarbeit von Christian Philipp Müller und Efe Erenler.
Pressekontakt Elena Heitsch und Jacqueline Falk

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