Wanderferien in Kroatien werden immer beliebter und sind das ganze Jahr über möglich
Vom Meer zu Fuß auf tausend Meter
Über dem Eingang steht Namaste, das Begrüßungswort der Hindus. Der Hausherr kommt seinen Gästen entgegen mit der in diesen Ländern üblichen Geste – er legt seine beiden Handflächen vor der Brust aneinander und verneigt sich leicht. Doch wir sind nicht in Asien, sondern in Kroatien. Genauer gesagt – wir stehen hoch über der dalmatinischen Makarska-Küste im Biokovo-Gebirge auf rund 1200 m Höhe vor der Berghütte von Ante Saric; er ist Rancher im Biokovo-Naturpark. Die Berge sind sein Leben. Wenn er nicht im Biokovo-Gebirge ist, dann weilt er im Himalaya, wo er schon viele Berge bestiegen hat. Davon zeugen Fotos an den Wänden in der Hütte. Einige siebentausender sind darunter.
So hoch geht es im Biokovo-Gebirge zwar nicht hinauf, aber der rund 30 Kilometer lange Gebirgszug, der Mitteldalmatien durchzieht, wirkt mächtiger als viele höhere Gebirge, beispielsweise in den Alpen. Vom Meeresniveau steigt das Karstgebirge jäh bis auf tausend Meter und höher. Der höchste Gipfel Sveti Jure, der Heilige Georg, erkennbar an einem riesigen Sendemast, ragt 1762 m in den Himmel. Bis zu diesem Berg schlängelt sich vom Küstenort Tucepi eine 23 km lange, schmale Straße durch den geschützten Naturpark hinauf, die höchste Straße Kroatiens. Die 50 Kuna Mautgebühr, umgerechnet rund sieben Euro, sind die Fahrt allemal wert.
Bereits unterwegs bietet sich vom Plateau Ravna Vlaska, 1228 m hoch, eine prächtige Sicht auf Tucepi und Makarska tief unten sowie auf verschiedene Inseln wie Brac, Hvar und Korcula. Das Plateau ist beliebter Startplatz für eindrucksvolle Wanderungen durch die felsige Karstlandschaft. Wir wollen zum Vosac (1422 m), einem aus der Küstenfelswand herauswachsenden 1422 m hohen Felskoloss. Vögel kreisen über uns. Unser Guide Ivo, der in Deutschland groß geworden ist, erklärt: „Diese einzigartige Karstlandschaft ist die Heimat seltener Vogelarten, wie Steinadler, Schlangenadler und Gänsegeier. Auch Wolf und Wildschwein, Gemse und Mufflon leben hier oben. Und mehr als tausend verschieden Pflanzenarten wachsen zwischen den Felsen, darunter viele Heilpflanzen.“ Kleine mit Felsbrocken eingerahmte Felder fallen uns auf. Dazu Ivo: „Da bauen Bauern ihr Gemüse an. Unter anderem die Biokovo-Kartoffel; die ist äußerst geschmackvoll.“ Durch diese felsige Landschaft zu wandern ist ein einmaliges Erlebnis. Auch wenn der Weg schmal ist und Felsbrocken immer wieder zu kleinen Umwegen zwingen. Es geht über Stock und Stein und man muss auf jeden Tritt achten.
Im Zick-Zack-Kurs auf den Gipfel
Der Weg zum Vosac ist eine von 19 Wanderrouten durch den imposanten Naturpark Biokovo. Viele Wege sind gut ausgeschildert. Dazu zählt auch die anspruchsvolle Tour vom Kirchplatz in Makarska zum Vosacgipfel, bei der man nach rund drei Stunden auf gut ausgebautem Weg, im Zick-Zack-Kurs an steilen Felswänden entlang, das Biokovo-Plateau rund tausend Meter höher und etwa eine Stunde später den 1422 m hohen Gipfel erreicht. Wertvolle Informationen und kostenloses Kartenmaterial gibt es an der Mautstelle.
Die Geschichte des Wandertourismus in Kroatien ist noch nicht alt. Sie begann 1995 nach dem kroatischen Unabhängigkeitskrieg. Zu den Pionieren gehört Joachim Teiser, der bis heute als Geschäftsführer des Veranstalters Reisewelt maßgeblichen Anteil an der Entwicklung dieses Tourismuszweigs in Kroatien hat. „Bis zu diesem Zeitpunkt gab es vor allem Badetourismus,“ erklärt er. „Wir erkannten damals jedoch, welche Chancen das Hinterland mit seinen Bergen bot. Im Oktober 1995 wanderten mit uns erstmals Reisegruppen durch das Biokovo-Gebirge.“ Dieses Küstengebirge, eines der schönste im Mittelmeerraum, habe es ihm angetan, so Teiser. „Mit meinen Mitarbeitern begann ich, die alten Fußwege und Maultierwege der Einheimischen von ihren Dörfern an die Küste und hinauf in die Karsthochflächen zu erkunden.“
Auch alte Pilgerpfade, die von den Einheimischen immer noch begangen werden, entdeckte der Tourismus für sich, wie den über das Mosor-Gebirge nach Gata und weiter in den berühmten Marienwallfahrtsort Sinj. Heute gehört dieser Pfad über das Gebirge, das sich nordwestlich vom Biokovo zwischen Split und der Cetina-Mündung bei Omis rund 25 km erstreckt, zu den schönsten Wanderrouten Mitteldalmatiens. Vom Dörfchen Dolac geht es zuerst über Felsen, dann auf Serpentinen durch kleine schattige Wäldchen in rund zwei Stunden hinauf zum Trposnjik-Pass in rund tausend Meter Höhe. Der Ausblick von dort oben hinunter ins Dorf Gata und das sich dahinter ausbreitende Meer ist die Anstrengung wert, wird aber später im Tal noch übertroffen von der Aussicht auf die vom Fluss Cetina geschaffene, tiefe Schlucht, an deren Ende die Stadt Omis auf einer Landzunge zwischen den mächtigen Felsen hervorlugt.
Teiser zufolge war es eine jahrelange, mühsame Arbeit, die alten, für den Wandertourismus interessanten Pfade auszukundschaften. „Viele waren verschüttet oder zugewachsen. Wir mussten sie für unsere Gäste erst mal wieder frei schlagen und entsprechend absichern.“ Heute hat die Reisewelt mehr als 40 Wanderrouten im Programm. Alle müssen jedes Jahr aus Sicherheitsgründen abgegangen und ei immer wieder saniert werden. Immer stärker kümmert sich jedoch auch der Kroatischen Wanderverein HPD darum. Trotz alles Sicherungsmaßnahmen rät Teiser, nie allein zu gehen. „Die Markierung ist nicht immer ausreichend. Und die Bergrettung ist nicht so organisiert wie im Alpenraum.“ Wichtig sei es auch, für jede Tour ausreichend Verpflegung und Wasser mitzunehmen. „Unterwegs gibt es kaum Quellen und schon gar nicht irgend welche Verpflegungsstationen.“
Wandersaison das ganze Jahr
Mittlerweile erkennen die Einheimischen, welche Bedeutung der Wandertourismus für ihr Land hat. Und zwar nicht nur im Sommer. „In manchen Regionen kann man das ganze Jahr über Wandern,“ meint Teiser. „Wenn nicht mehr ganz oben, dann auf halber Höhe oder entlang der Küste.“ Dabei schwärmt er von dem aussichtsreichen Küstenpfad zwischen Makarska und Tucepi. „Den kann man durchaus mit den tollen Wanderwegen an der steilen Amalfiküste in Süditalien vergleichen,“ meint er und schwärmt weiter von Winterwanderungen ganz oben im Biokovo-Gebirge, wo der Schnee schon mal einige Meter hoch liegen kann. „Auf dem hart gefrorenen Schnee die Stiefel knirschen zu hören, ist ein Erlebnis, vor allem, wenn die Sonne vom stahlblauen Himmel strahlt.“
Aber nicht nur das Festland, sondern auch viele der mehr als tausend Inseln locken immer mehr Wanderer an. Zum Beispiel die Insel Brac, von Makarska in rund 45 Minuten mit der Fähre erreichbar. Zu den beliebtesten Wanderungen zählt die auf den Vidova Gora (778 m), den höchsten Berg aller kroatischen Insel. Der Weg vom Küstenstädtchen Bol zieht sich in vielen Windungen zuerst auf steinigem Pfad, dann durch schattige Pinienwälder hinauf bis zum Gipfelkreuz des Veitbergs, wo den Wanderer nach rund zwei Stunden Aufstieg eine sagenhafte Aussicht erwartet. Tief unten westlich von Bol liegt der etwa 500 Meter ins Meer ragende, hellgelbe Zlatni Rat Strand, das Goldene Horn, das durch viele Werbeplakate berühmt geworden ist.
Noch sind Wanderferien auf Kroatien ein Geheimtipp. Die Wege durch die Berge lockten bisher, so Teiser, noch relativ wenige Kroatien-Urlauber. Doch es gebe Pläne, dies zu ändern. So werde immer wieder von einer Seilbahn aus Makarska ins Biokovo-Gebirge geredet. Dagegen wehren sich nicht nur einheimische Naturfreunde, sondern auch Touristikanbieter, wie Joachim Teiser. „Wir versuchen in unseren Gesprächen, beispielsweise mit den Hoteliers, einzuwirken, nicht die gleichen Fehler zu machen, wie andere Länder.“ Dies gelte auch für Feriensiedlungen am Meer. Noch seien nicht einmal zwei Prozent der gesamten kroatischen Küste bebaut.
Weitere Informationen: Reisewelt Teiser & Hüter GmbH, Fuldaer Straße 2, 36119 Neuhof, Telefon: 06655 / 96 09-0, Telefax: 06655 / 96 09-42, Email, (Preisbeispiel: Eine geführte Wanderwoche inkl. Flug, Übernachtung im Vier-Sterne-Hotel mit Halbpension ab 755 Euro)
Kroatische Zentrale für Tourismus, Stephanstrasse 13, 60313 Frankfurt/M, Telephon +49 69 238 5350, Telefax +49 69 2385 3520, Email
Autor: Henno Heintz, tour-press, Email