Rathkes satirische Randnotizen
Mein Sommermärchen
Die Märchen der Gebrüder Grimm
find ich sehr krass und viel zu schlimm.
Der böse Wolf verspeist die Oma,
Dornröschen liegt derweil im Koma.
Schneewittchen schläft mit sieben Zwergen,
was Zaunkönige gleich bemerken.
Die Meerjungfrau badet in Teichen
wo Froschkönige quakend laichen.
Ich hab‘ ganz anderen Bedarf.
Mich macht das Sommermärchen scharf.
Drum sitz ich, meiner Frau zum Trotze,
rund um die Uhr jetzt vor der Glotze.
Da brülle ich, so laut ich kann
und feure unsre Mannschaft an.
Bei jedem Spiel spiele ich mit,
der Wäschepuff kriegt einen Tritt.
Auch schieß ich eifrig in Gedanken
Steilpässe und weite Flanken,
am Füllkrug aber knapp vorbei.
Die Fan-Meile hört mein Geschrei.
Ich stürme und verteidige,
dann spuck ich und beleidige,
ich grätsche im Spagat am Boden
im Abseits gegen Quetschkommoden.
Selbst dribbeln kann ich virtuell
im Schlafzimmer ums Bettgestell.
Dazwischen renn ich durch das Haus
und hole ständig Ecken raus.
Nur in die Küch‘ darf ich nicht rein,
da stellt mir meine Frau ein Bein.
Sie ruft, da unser Kühlschrank neu,
daß das für mich ein Strafraum sei.
Also verzieh‘ ich deshalb schnell mich,
sonst würde ein Elfmeter fällig.
Auchs Badezimmer muß ich meiden,
denn Klobrillen dürfen nicht leiden.
So köpf ich einen Luftballon
im Hechtsprung von unserm Balkon.
und siege dadurch Null zu Eins.
Ein Gegentor bekomm‘ ich keins.
Beim Sommermärchen Dauergast
hat mich der Fußballwahn erfaßt.
Ich glaub, wir kommen ins Finale.
Der Nagelsmann hat Potentiale.
Doch sollten wir mal hoch verlieren,
dann werd‘ ich wie ein Rohr krepieren,
begehe noch ein schweres Foul.
Und danach halte ich mein Maul.