Aci Trezza und die “Scogli dei Ciclopi“
Die Blendung des Riesen Polyphem
Im Altertum gab es Kyklopen,
die konnten ungeheuer toben,
wenn sie, die einäugig bestirnten,
geärgert wurden und dann zürnten.
Sie hämmerten, laut einer Sage
im Berge Ätna untertage,
aus dessen Schlot es furchtbar qualmte,
wenn ein Kyklop etwas zermalmte.
Sie schmiedeten in Windeseile
dem Zeus die Blitz- und Donnerkeile.
Besonders oft sah man sie powern
beim Bau von den Kyklopenmauern,
auf die man früher stets vertraute,
wenn man sich seine Burgen baute.
Der Fall des Riesen Polyphem
war leider nicht ganz angenehm,
weil er das wüste Exemplar
von einem Menschenfresser war,
und wenn er derartig entgleiste
den Homo Sapiens gern verspeiste.
Er lebte, was man wissen müßte,
an Siziliens schöner Küste
in einer Höhle mit Grandezza
als „Polyphem von Aci Trezza“.
Odysseus irrte durch das Weltmeer,
litt Schiffbruch und besaß kein Geld mehr.
Da hat ihn Polyphem gefangen.
Odysseus hockte nun mit Bangen
stark zitternd in des Riesen Höhle,
ein Angstkloß saß in seiner Kehle,
denn er war von dem Wahn besessen,
der Polyphem würd’ ihn bald fressen.
Er konnte nur sein Schicksal wenden,
wenn es gelang, den Feind zu blenden.
Als Polyphem einmal ganz tief
im Weinrausch lauthals schnarchend schlief
nahm sich Odysseus einen Pfahl,
handlich, derb und rustikal,
der vorne messerscharf gespitzt,
und dann im Ofenloch erhitzt.
Der Pfahl glich glühend einer Nadel,
war für die Blendung ohne Tadel.
Dann spreizte vorsichtig bemüht er
dem Polyphem im Schlaf die Lider,
legte nach kurzer Sucherei
geschickt des Riesen Hornhaut frei,
wonach den Pfahl er ungemach
dem Kyklops in das Auge stach.
Der Riese hatte nur das eine,
das war daran das ganz Gemeine.
Der Polyphem sprang auf geschwind,
es zischte stark, – dann war er blind.
Auf dem Zweiten sieht man besser ?
das war nicht so beim Menschenfresser.
Odysseus wetzte in der Not
zum Hafen runter, sprang ins Boot,
dort setzte er die Segel froh,
der Wind gab Vollgas, und er floh.
Der blinde Polyphem beim Lauschen
hörte am Ufer Segel rauschen,
riß Felsen aus der Küstenwand,
rannte damit voll Wut zum Strand
und schmiß sie dem Odysseus nach,
der jubelnd in die See jetzt stach.
Odysseus blieb im Boot am Leben.
Die Felsbrocken flogen daneben.
Man sieht sie groß und sehr gediegen
noch heut in Küstennähe liegen.
Der arme Riese aber kroch
zurück ins Ätna-Kraterloch.
Er sagte unsrer Welt “Ade!“
und jumpte in den Lava-See.
Dort ist er „strebend sich bemüht“,
im Lava-See sofort verglüht.
(Dr. Winfried Rathke)