Reise: Sizilien – Schatzkammer

Reise: Sizilien – Schatzkammer

Carretto Siciliano – Der  Sizilianische Karren

Ein folkloristisches Phänomen ist (oder war) der Bauernkarren der Landbevölkerung, mit dem Obst und Gemüse auf die Märkte der Stadt gefahren wurde. Der Karren erzählt Geschichte, ist von kunstfertigen Händen bearbeitet, geschnitzt und bemalt. Die Abenteuer der Paladine werden lebendig, z.B. Roger verprügelt die Sarazenen, liebt Angelica, wird zum König gekrönt.

Es sind die Geschichten des Puppentheaters. Hier wie dort sieht man kräftig bemalte Figuren, Ritter in Blechrüstungen, mit gezückten Schwertern und Lanzen. Räder und Speichen sind abgeschrägt. Der Besitzer läßt den Wagen nach Maß arbeiten, gibt genau seine Wünsche an. Seine Helden, Franken oder Normannen, Räuber und Sarazenen verzieren das gesamte Gefährt.

Frauenköpfe, Sonnenblumen, Pferde, Engel, Sirenen, Halbmonde und Fähnchen überwuchern lückenlos Räder, Speichen und Wände des Karrens.

Rosetten und Sternchen gesellen sich zu Blättern und Früchten. Die 7 Farben des Regenbogens werden ohne Zwischentöne benutzt. Auch das Zaumzeug der vorgespannten Pferde ist mit Glöckchen, Spiegeln und Silbertressen besetzt.

Der Autor begegnete am Stadtrand von Palermo noch Francesco, dem letzten Carretto-Maler Siziliens. Er wurde sein Freund, ist aber inzwischen verstorben, die Tradition mit ihm. Aber die Fotos halten Erinnerungen fest… (Dr. Winfried Rathke)

Francesco bei der Arbeit

Winfried Rathke

„Schatzkammer Sizilien“

 

Auf Sizilien, der größten Mittelmeerinsel, haben 3000 Jahre lang Menschen der unterschiedlichsten Volksgruppen gesiedelt und so eine bunte kulturelle Mischung geschaffen, die den Besucher heute noch

verblüfft. Phönizier aus Vorderasien kamen als Karthager ins Land und rivalisierten mit griechischen

Kolonisten, die in Syrakus, Selinunt und Agrigent großartige Tempelbauten hinterließen.

Ein reicher Römer ließ sich die Fußböden seiner prächtigen Villa bei Piazza Armerina mit phantasievollen Mosaiken schmücken. Araber eroberten die Insel und viele Architekturmerkmale weisen auf die islamische Baukunst hin. Normannen kamen aus Frankreich und ließen sich von byzantischen Spezialisten Kathedralen mit goldenen Wand- und Deckenmosaiken schmücken. Zwei Deutsche Kaiser,

Heinrich VI. und Friedrich II folgten. In Aachen wurden sie gekrönt, in Palermo ruhen sie in Porphyr.

Französische Anjou und Spanier führten Sizilien durch das Mittelalter. Barocke Skulpturen schmücken

viele Kirchen. Erst Garibaldi befreite die Sizilianer von der Fremdherrschaft. Seitdem gehört es zu Italien.

Verdis Oper „Sizilianische Vesper“ spielt in Palermo. Aus Catania stammt Bellini, der mit seinen Belcanto-

Opern Mailand und Paris eroberte. Der Marsala-Wein ist weltbekannt. Archimedes fand in Syrakus das Prinzip des spezifischen Gewichts. Sizilien ist eine Insel der Literaten. Platon und Goethe waren hier zu Besuch, Theokrit, Lampedusa, Pirandello, Verga und Sciascia sogar zu Hause. Nach Sizilien locken Strände, bunte Fischerhäfen und die Mandelblüte. Doch der Ätna, Europas aktivster Vulkan, will auch respektiert sein. Er hat schon viele verheerende Erdbeben angerichtet.

190 Seiten, reich bebildert – 15,80 €

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