Der Kult mit dem feinen Tee
Sie kaufen italienische Espressomaschinen mit Zweikreissystemen und separatem Präzisionmahlwerken, sie bestellen Ihren Bio Espressobohnen aus Papua Neuguinea vom der trendigen Boutiquerösterei an der Ecke und zeichnen sich stolz nach dem Baristakurs, Blätter und Ornamente in den Cappucino. Man kennt sie mittlerweile, sie scheuen keine Kosten, um die perfekte Crema zu erhalten… Kaffee Liebhaber…
Doch was ist aus den guten alten Teetrinkern geworden? Was ist mit Kirschtee, Roibusch, Vanille oder Earlgrey? Man möchte es nicht glauben, aber abseits des Mainstreams entwickelt sich ein neuer Kult. Der Kult mit dem feinen Tee. In Amerika, Australien und anderen Länder längst eine ernstzunehmende Industrie, entwickelt sich hierzulande eine wachsende Community von Teeexperten. Angeregt durch den letzten Urlaub in China, Taiwan oder Japan, kommen die Deutschen auf einen der ältesten Genussartikel der Welt: Das Teeblatt.
Nach dem ersten Kontakt mit den Raritäten, wird schnell klar, Geld zu sparen ist mit dem edlen Grün leider nicht. Wie der Weinliebhaber gerne mal etwas mehr für ein gutes Fläschchen Wein ausgibt, der Hobbybarista einige 1.000 € für eine Kaffeemaschine, in die man Edelkaffee von hohem Kilopreis einfüllt, so wird einem als Teeliebhaber schnell bewusst, auch mit diesem Hobby kann man spielend sein Geld loswerden. Guter purer Tee ohne Aroma oder sonstige Beimischungen ist teuer aber man tut man dem Körper etwas Gutes, denn viele der Tees haben eine positive Wirkung in vielerlei Hinsicht.
Nach oben hin gibt es preislich keine Grenzen. Es gibt Tees die, wie ein guter Whiskey mit Alter in Geschmack und Preis wachsen, hochqualitative Tees von liebevoll geführten Boutique Teeplantagen, Bio Tee oder Teeseltenheiten von einzigartigen über Generationen gepflegten Teefeldern und berühmten Teebäumen. Wie beim Rotwein gibt es beim Tee tausende von Sorten und Kenner sind ständig auf der Suche nach einem Blatt, das ihnen eine neue Geschmackssensation bietet.
Die wohl edelsten Teesorten kommen aus China, Taiwan und Japan. Herkunftsländer der eher schweren Tee die wohl in die Kategorie der „British Tea Time“ fallen werden von den neuen Teegourmets eher gemieden.
Trinkt man als gewohnter Earlgrey-Trinker zum ersten Mal einen unparfümierten weißen oder grünen Tee, wird man sich über die Leichtigkeit dieser Tees wundern. Konsumiert man vorher intensiv schmeckende Nahrung oder Getränke, ist der Teegeschmack oft anfänglich nur schwer zu differenzieren. Wie beim Wein braucht der Gaumen etwas Übung, um die Unterschiede und Feinheiten genießen zu können. Beim regelmäßigen Teetrinken wird schnell klar, was in den kleinen feinen Blättern wirklich drinnen steckt. Unterschiedliche Temperaturen, Menge, Brühzeiten, die Anzahl der Aufgüsse und sogar die verwendete Kanne beeinflussen den Geschmack. Der Spezialist hat für jede unterschiedliche Teesorten seine eigene Kanne, die langfristig das Aroma des verwendeten Tees annimmt und wieder abgibt. Hochwertige Tees können ohne Geschmacksverlust mehrfach aufgebrüht werden. Bei manchen Teesorten kann man bei jedem zusätzlichen Aufguss förmlich auf eine kulinarische Reise gehen. Der Tee ändert mit jedem Aufguss deutlich seine Geschmacksnuance.
So aufregend die Entdeckung der Teewelt ist, so schwierig ist es, an tatsächlich erstklassige Ware heranzukommen. Noch vor ein paar Jahren war es fast unmöglich in Deutschland an hochwertigen Tee zu kommen. Der Markt hatte sich auf schwarze Tees und parfümierte bzw. aromatisierte Sorten spezialisiert. Teetrinker waren es gewohnt, 2,50 € für ein Tütchen oder ein paar Teebeutel zu bezahlen und die Importeure stellten sich auf die Nachfrage ein. Grüne Tees waren auf dem Markt, allerdings in minderer Qualität.
Eigentlich eine ähnliche Situation wie noch vor ein paar Jahren auf dem Kaffeemarkt. Wer hätte zu DM-Filtertütenzeiten gedacht, dass normale Menschen eines Tages hohe Preise für ein Tasse Kaffee zahlen würden. Heute kann man sich nicht mehr vorstellen, warum man 1,50 € für einen fiesen Filterkaffee bezahlt hat.
Noch immer ist es schwierig, guten Tee in Deutschland zu bekommen. Mittlerweile bekommt man zwar grünen und weißen Tee, aber in den meisten Fällen stammen die Bestände von den großen Importeuren, die im großen Stile entsprechende Mengen mit minderen Qualitäten eingekauft.
Natürlich könnte man auch größere Mengen in besserer Qualität importieren, aber Tee einkaufen in Asien erfordert Geduld. Man muss Teefelder finden, die mit entsprechender Liebe gepflegt werden und Erzeuger, die langjährige Erfahrung mit der Tee Verarbeitung haben. Die besten Produkte stammen in der Regel von Feldern auf denen ausschließlich manuell gepflückt und verarbeitet wird. Oft handelt es sich um kleine Familienbetriebe. Aber selbst bei den Familienbetrieben gibt es solche, die versuchen ihre Gewinne zu maximieren und Pestizide einsetzen und andere, die auf den Einsatz verzichten. Wenn man dann noch den Anspruch hat, dass Teepflücker fair behandelt und bezahlt werden, wird es noch schwieriger geeignete Felder zu finden. Die Sprache und die kulturellen Unterschiede kommen erschwerend hinzu. Das verhandeln der Einkaufspreise ist außerordentlich schwierig und man ist gut beraten, die vereinbarte Qualitätsstufe ständig von Neuem zu überprüfen.
Großimporteure haben für solche Einkaufspraktiken schlichtweg nicht die
Zeit. Sie greifen in der Regel auf chinesische Großhändler zurück, die
ihnen das verkaufen, womit sie selbst am meisten Geld verdienen können… Und das ist mindere Qualität zu hohen Preisen, die in China niemand haben will.
Um an die ausgezeichnete Teequalität zu kommen, die man in China und Japan vom Teebauern „von nebenan“ erhalten kann, brauchte es eine andere Spezis von Importeuren: Junge verrückte Tee Entrepreneurs, die echte Teeliebhaber waren, die das Land liebten und die Kultur und Sprache verstanden. Importeure die von dem Traum getrieben waren endlich selber in Deutschland guten Tee trinken zu können. Importeure die vor den schwierigen Bedingungen nicht zurückschreckten, die selbst auf Entdeckungsreise gingen und die feinen Unterschiede zwischen den unzähligen Qualitätsstufen der Tees herausschmecken konnten, um nur die besten Tees nach Deutschland einzuführen. Tees die es Wert waren einen solchen Aufwand auf sich zunehmen.
Heute findet man einige dieser Perlen in Deutschland, nicht an jeder Ecke, aber man findet sie. Kleine Boutique Importeure. Das goldene Grün hat seinen Preis, aber Liebhaber meinen, die kleinen Blättchen sind Ihren Preis wert…
(ursprünglicher Text von Cindy Burke-Tschanz, Heilpraktikerin Berlin)