USA: Die zerrissenen Staaten…

USA: Die zerrissenen Staaten…
Lesung in MÜNCHEN, Mittwoch, 6. März 2024, Amerikahaus, Karolinenplatz 3

12. Januar 2024 DROEMER

288 Seiten, € 24,- / e-book € 19,99 gebunden mit Schutzumschlag. ISBN: 978-3-426-27902-1

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USA: Präsidentschaftswahlen als Kulturkampf? Ex-US-Korrespondent Arthur Landwehr über die Menschen, die wählen.

Aktuell zum Präsidentschaftswahlkampf in den USA: Der USA-Experte & langjährige ARD-Hörfunk-Korrespondent über den US-Wahlkampf als Kulturkampf.

 

Der ehemalige Washington-Korrespondent Arthur Landwehr spürt den Stimmungen und Erwartungen der US-Wähler zu Beginn der Vorwahlen nach. 

Seine These: Es geht nur vordergründig darum, ob es die Demokraten schaffen, ihre Ideen von Freiheit und sozialer Verantwortung gegen den von Donald Trump geprägten Kampf für ein Amerika der traditionellen Werte durchzusetzen. 

Im Kern steht die Zukunft der liberalen Gesellschaft auf dem Spiel: Gewinnen wird, wem es im Wahlkampf gelingt, Menschen für sich zu begeistern, die zunehmend das Vertrauen in Politik, Medien und Wirtschaft verloren haben. 

 

Die Verunsicherung ist so groß, dass mittlerweile einzelne Gruppen Gewalt als politisches Mittel nicht mehr ausschließen.

Bei der Präsidentschaftswahl 2024 stehen die Vereinigten Staaten am Scheideweg. Landwehr beschreibt den Wahlkampf als Kulturkampf, als ein Kampf um Identität, der die USA zu zerreißen droht.

 

Im Mittelpunkt: die Abstiegsangst der Weißen und das zunehmende Selbstbewusstsein von Schwarzen und Hispanics, der Einfluss der woken Intellektuellen, das ausgrenzende Stammesverhalten und das „America first“ im Landesinnern und die Verheißungen kultureller Offenheit in den liberalen Küstenstaaten.

 

Arthur Landwehr reist durch das Land und sucht die Ursachen für die Zerrissenheit des Landes im Alltag der Amerikaner – beim Rodeo in Wyoming, wo die Traditionen des »Wilden Westens« als Gegenentwurf zur modernen Industriegesellschaft gefeiert werden; in Florida in einer »Active Adult Community«, wo Rentner und Pensionäre unter sich sind; in Virginia auf einer Waffen-Ausstellung oder in Missouri beim Tee mit Cousinen vierten Grades, die er mithilfe eines DNA-Tests ermittelt hat, und an vielen anderen Orten mehr. Landwehrs vielschichtiges Porträt zeigt ein aufgewühltes Land, in dem Politik früher oder später in die alles entscheidenden Fragen mündet: Was heißt es, Amerikaner zu sein und was hat das mit uns Deutschen und mit den transatlantischen Beziehungen zu tun?

Arthur Landwehr, Bild Copyright Frank Lange

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 Arthur Landwehr, geboren 1958, war von 1999 bis 2006 und von 2018 bis 2022 ARD-Hörfunk-Korrespondent in Washington, D.C. Von 2006 bis 2018 war er Hörfunk-Chefredakteur des Südwestrundfunks. Während seiner USA-Aufenthalte hat er die gesellschaftliche Entwicklung der USA in den Amtszeiten von Clinton, Bush, Trump und Biden intensiv journalistisch begleitet.

 

»Arthur Landwehr gelingt eine enge Verbindung zwischen persönlichem Erleben und kluger Analyse.« Elmar Theveßen, ZDF-Studioleiter in Washington

DIE ZERRISSENEN STAATEN
VON AMERIKA.

Ein Interview mit Arthur Landwehr

 

Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2024 könnten sich als schicksalhaft herausstellen. Vom Ausgang hängt ab, wohin sich die liberale Demokratie der USA entwickelt und ob eine europäisch-amerikanische Partnerschaft auf absehbare Zeit überhaupt noch eine Chance hat.

Der lange Weg zur Wahl im November beginnt am 15. Januar im Bundesstaat Iowa. Die Wählerinnen und Wähler dort sind die ersten, die darüber bestimmen, wer bei den Republikanern gegen Amtsinhaber Joe Biden antreten solle. In den Umfragen führt der frühere Präsident Donald Trump mit weitem Abstand. In Iowa und in den darauffolgenden Wochen in allen anderen Bundesstaaten muss sich zeigen, ob die Konservativen im Land tatsächlich weiter auf ihn setzen.

 

Arthur Landwehr hat zur Wahl ein Buch über die „zerrissenen Staaten von Amerika“ geschrieben, eines über die Menschen, die jetzt die Wahl haben. Landwehr hat mehr als zehn Jahre für den ARD-Hörfunk aus Washington berichtet, gehört zu den

profiliertesten Korrespondenten und Amerika-Kennern. Darüber hinaus war Landwehr zwölf Jahre lang Chefredakteur des SWR-Hörfunks und damit verantwortlich für die journalistische Berichterstattung.

 

Warum noch ein Buch über Amerika?

Kennen wir das Land und seine Menschen nicht längst in und auswendig?

Wir kennen Amerika viel weniger als wir glauben. Gerade weil Amerikaner uns scheinbar so ähnlich sind, schauen wir nicht genau genug hin und ziehen falsche Schlüsse.

 

In diesem Buch lasse ich unsere europäisch deutsche Perspektive so gut es geht zurück und stelle mich in die Schuhe der Menschen dort. Das hilft zu verstehen, warum sie denken wie sie denken und vor allem wählen, wie sie wählen.

 

Schauen wir auf die jetzt anstehenden Wahlen. Von außen betrachtet gilt Donald Trump als ein „unmöglicher“ Kandidat. Gleichwohl haben ihn 2020 rund 74 Millionen Menschen gewählt, führt er

jetzt in den Umfragen das Bewerberfeld der Republikaner mit weitem Abstand an. Was macht ihn für so viele Amerikaner so attraktiv?

 

D.J. Trump ist derjenige, der Millionen Amerikanern in ihren Augen wieder eine Heimat verschafft. „Er hat uns unsere Ehre zurückgegeben“ haben mir so viele  Menschen in Kleinstädten und auf dem Land versichert. Die Ehre, die ihnen eine selbsternannte Elite in den Städten entlang der Küsten genommen hätte. Weil sie urban-arrogant alles verächtlich machten, was ihnen im Kernland heilig sei: Die Familie aus Frau, Mann und Kindern, ihre Religion, ihren Patriotismus und ja, auch ihre Liebe zu Waffen.

 

In den Medien nenne man sie Hillbillies, Hinterwäldler, oder gar Rassisten, nur weil sie ihre traditionellen Werte verteidigten. Wenn Donald Trump sagt „Make America Great Again“, dann verstehen sie, dass er sie, den weißen Mittelstand, wieder großartig macht. Und dafür sind ihm Millionen dankbar.

 

Unterschiedliche Meinungen hat es immer

gegeben. Wie kommt es dazu, dass die amerikanische Gesellschaft jetzt so unversöhnlich zerrissen ist? In den USA, wie übrigens auch bei uns, haben Menschen verlernt, Perspektiven anderer aufzunehmen und verstehen zu wollen.

Gerade das macht aber eigentlich eine lebendige Demokratie aus. Stattdessen folgen sie Anführern und Meinungen im Netz, die sie in ihren Meinungen bestätigen. So gibt es keinen Konsens mehr darüber, was „Amerikaner sein“ bedeutet, was bei aller Diversität das gemeinsame Wertegebäude

darstellt. Außerdem hat sich das Zukunfts-Versprechen für viele in der Mittelschicht in Luft aufgelöst, diese Sicherheit, dass jeder

den Weg durch die sozialen Schichten aus

eigener Kraft gehen kann und es den Kindern noch besser gehen wird als einem selbst.

 

Woran machen Sie den fehlenden Konsens fest?

Ich nenne die USA „ein Land der leeren Sockel“ nach dem zerstörerischen Sturm auf Denkmäler nach der Ermordung von George Floyd. Da ging es ja nicht nur um Südstaaten-Generäle, die für den Erhalt der Sklaverei gekämpft hatten.

 

Es fielen auch Statuen von George Washington und Thomas Jefferson, von Christoph Columbus und vielen anderen, die für die Geschichte und den Erfolg eines großen demokratischen Experiments

namens Amerika standen. Für viele, und nicht nur Afroamerikaner, sind sie Repräsentanten eines Diskriminierungsstaates, der bis heute seinen Bürgern gleiche Rechte und Chancen verweigert. 

Für andere stehen sie für das, was Amerika zu einem großartigen Land gemacht hat. Auch wenn

die Sockel dieser Denkmäler natürlich meist auch entfernt wurden, stehen sie für ein Vakuum. Man weiß noch nicht, was an ihre Stelle treten soll, auf das man sich gemeinsam als Gesellschaft verständigen und stolz sein will.

 

Was ist mit dem fehlenden Zukunftsversprechen gemeint?

Die weiße arbeitende Mittelschicht, vor allem in Kleinstädten und auf dem Land, ist der große Verlierer der Wirtschaftskrise von 2008. Die Handwerker, Arbeiter ohne College-Ausbildung und diejenigen, die früher in Fabriken gutes Geld verdienten, haben sich teilweise bis heute nicht erholt. Produktion ist abgewandert, Löhne sind bis

vor kurzem vor allem gesunken, eine bessere Zukunft ist nicht in Sicht. 

Das gilt erst recht für die Kinder der Mittelschicht, deren Chance auf ein höheres Gehalt als das ihrer Eltern drastisch gefallen ist. Hinzu kommt, dass der Einkommensunterschied zwischen Weißen und Schwarzen schrumpft weil durch erfolgreiche Förderprogramme immer mehr junge Afro-Amerikaner einen Hochschulabschluss machen und in die Mittelschicht aufsteigen. Tatsächlich gibt es also noch den sprichwörtlichen

amerikanischen Traum, ein Zukunftsversprechen für den Fleißigen. Der aber hat sich verlagert. Sie sprechen von der „Liebe zu den Waffen“ und widmen ein ganzes Kapitel der emotionalen Beziehung von Millionen Amerikanern zu Gewehren und Pistolen.

 

Als Europäer ist man schnell bei der Hand, Amerikaner für ihre vielen privaten Waffen zu verurteilen, es für verrückt zu erklären, dass sie Waffenbesitz als Freiheitsrecht betrachten. Aber mal Hand aufs Herz: Ist es nicht ebenso verrückt, ein Tempolimit auf Autobahnen als Einschränkung von bürgerlicher Freiheit zu bekämpfen? Die amerikanische Beziehung zu Gewehren und Pistolen hat eine lange Geschichte und mit dem Staatsverständnis zu tun. In einem Land, das ohne staatliche Ordnung besiedelt wurde, konnte nur

überleben, wer ein Gewehr hatte, um zu jagen oder sich zu verteidigen. In vielen ländlichen Gebieten gibt es bis heute keine Struktur, so dass die Polizei im Notfall helfen könnte. Mit Vater oder Großvater zum ersten Mal eine Pistole zu schießen, gehört für viele Jungen und Mädchen zum Erwachsenwerden. 

 

Untersuchungen zeigen, dass sehr viele Amerikaner Gewehr oder Pistole als Teil ihrer Identität betrachten, sie ihnen zu nehmen, reißt ein Stück Seele aus dem Leib. Die Haltung zu Waffen gehört auch zum Kulturkampf. Hier steht vor allem die Stadt dem Land gegenüber. Und nicht zuletzt verteidigen Afroamerikaner das Recht auf privaten Waffenbesitz, weil ihnen der auch lange nach dem Ende der Sklaverei verwehrt worden war.

 

Gibt es denn einen Willen, die Gesellschaft wieder zu einen?

In der Politik wird der Wille zur Einheit vorangetragen wie eine Monstranz. Aber Politik in Amerika ist zu einem Kulturkampf geworden, bei dem es nicht mehr darum geht, was ich will, sondern wer ich bin. Identität wird zur treibenden politischen Kraft. Man definiert sich nicht mehr als „Amerikaner“, sondern als Afroamerikaner, Hispanic oder weißer Mann aus dem Süden, als schwarze Frau, als Trans-Mann, als Waffenbesitzer,

Abtreibungsgegner. Jede einzelne Identität verlangt ihren eigenen Platz, ihren eigenen Zugang zu Ressourcen und Teilhabe an der Gesellschaft von Medien bis Führungsaufgaben in der Regierung. 

Der Wille zu einem gemeinsamen Überbau fehlt, und das schürt Angst bei denen, die sich bisher als „die wahren Amerikaner“ verstanden haben und

die von der alten Ordnung profitiert haben.

 

Ist diese Zerrissenheit der Gesellschaft, so wie Sie sie beschreiben, ein rein amerikanisches Phänomen?

In den USA sind die Folgen besonders drastisch deutlich geworden, weil es Donald Trump gelungen ist, die von vielen empfundene Heimatlosigkeit im eigenen Land zum Machtgewinn zu mobilisieren.

Das Phänomen beobachten wir aber in vielen Ländern Europas, auch in Deutschland. Menschen fühlen sich von Politik, Wirtschaft und Medien nicht mehr wahrgenommen, ihre berechtigten Interessen und Themen vernachlässigt oder verächtlich gemacht. Für sie kümmert sich Politik nur um die Anliegen von Minderheiten, macht ihnen Vorschriften, zerstört ihren Wertekodex und nimmt denjenigen, die ehrlich arbeiten das Geld, um es denen zu geben, die nichts leisten. In den Medien

finden sie ihre Welt nicht mehr gespiegelt, sondern erleben sie als Erfüllungsgehilfen der Regierungen. 

 

Die Reaktion ist, Hilfe bei denen zu suchen, die Hilfe versprechen. In den USA ist das Donald Trump, in Europa sind es populistische Parteien und politische Führer, die sich gegen die vermeintliche Elite positionieren, von der sich viele in ihrer Identität bedroht fühlen.

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