
2016 Fischer Verlage
Erica Jong
Angst
vorm
Sterben
Roman. 368 S., 19,99 €, 20,60 € (A). Hardcover. ISBN 978-3-10-002485-5. Aus dem Amerikanischen von Tanja Handels.

Vier Jahrzehnte später (2016) gab es dann wieder einen Roman der Bestsellerautorin. Mit einer neuen Protagonistin, einer coolen New-Yorkerin jenseits der Sechzig, ehemals eine bekannte Schauspielerin. Isadora Wing spielt diesmal nur eine Nebenrolle als beste Freundin und weise Beraterin. Ebenso unverblümt wie sie sich in ihrer vielzitierten ›Bibel der Frauenbewegung‹ über Tabus hinweggesetzt hat, räumt Erica Jong in ›Angst vorm Sterben‹, mit den Tabus der heutigen Zeit auf: Altern und Sterben. Auch im Leben der Heldin dieses Romans spielt Sex wieder eine nicht unwichtige Rolle. Freimütig erzählt, mit dem gewohnten Schuss Ironie und Witz.
Nicht nur Vanessa Wonderman, die Hauptfigur des Buches, ist in die Jahre gekommen, alle um sie herum sind es ebenfalls: Ihr Ehemann ist zwanzig Jahre älter als sie und bricht zusammen, ihre Eltern sind hochbetagt und siech, selbst ihr Pudel stirbt. Umgeben von Alter und Verfall wächst ihr Hunger nach Leben, und sie begibt sich auf die Suche nach Leidenschaft und Selbstverwirklichung. In der Hoffnung, sich so etwas Leben, sprich Jugend, zurückzugewinnen. Denn auch mit dem Verblassen der eigenen Jugend steht sie auf Kriegsfuß und lässt sich alles angedeihen, was den Alterungsprozess aufzuhalten verspricht oder der Wiederherstellung jugendlichen Anscheins dient.
Während sie von Krankenhaus zu Krankenhaus jagt, um sich um ihre Familie zu kümmern, rebelliert sie gegen die eigene Endlichkeit – das Unsichtbarwerden, wie sie das Schwinden der Anziehungskraft älterer Frauen nennt, den Verlust der Macht über die Männer, die sie früher hatte. Um dem Alter und dem nahenden Tod, der sie umgibt, zu entfliehen, macht sie sich auf die Suche nach einer Affäre und gerät dabei in die skurrile Welt des New Yorker Dating-Dschungels. Das war es nicht, was sie suchte. Doch die Erfahrungen, die sie macht, bringen sie näher an die Antwort auf die Frage: Was ist ein geglücktes Leben?
Um Sex geht es dabei nur am Rande, auch wenn es nicht immer den Anschein hat. Vielmehr um das Verblassen der Jugend und dessen Folgen – das Altern und Sterben der eigenen Eltern, Großmutterwerden, Geschwisterkämpfe und Partnerschaften. Ihr Schreibstil, ihre Sichtweise auf das, um was es ihr wirklich geht, nämlich das richtige Leben, Liebe, Frieden mit der eigenen Endlichkeit, sind wie immer auf dem ihr eigenen hohen Niveau. Schonungslos offen und ehrlich geht sie diese Themen an und erzählt davon mit der Leichtigkeit, die man von ihr kennt, und ihrem typisch New Yorker Witz, im richtigen Moment aber einfühlsam und mit durchaus leisen Tönen.
Das Buch über den Kreislauf von Liebe, Tod und Geburt zeigt wieder einmal, dass Erica Jong mehr ist, als ihr – zugegeben bemerkenswertes – Erstlingswerk ›Angst vorm Fliegen‹, auf das sie immer wieder reduziert wird. Wer ihre früheren Romane kennt und lange nichts mehr von ihr gelesen hat, wird vielleicht neugierig auf dieses neue Werk der inzwischen über 70-jährigen Autorin sein – und nicht enttäuscht werden. Dem reifen Buch einer gereiften Frau. (2016, Ursula Süß-Loof, M.A.)