2020 Westend Verlag
Franz Keller
Ab
in die
Küche
Wie wir die Kontrolle über unsere Ernährung zurückgewinnen
240 S., 24 €. ISBN 978-3-86489-266-0. E-Book 17,99 €/ISBN978-3-86489-753-5.
Rezension: Ursula Süß-Loof, M.A.
Mit seinem Bestseller ‚Vom Einfachen das Beste‘, in dem Franz Keller die Geschichte seines Lebens mit geharnischter Kritik an der Landwirtschafts- und Nahrungsmittelindustrie verknüpfte, ist er auf unerwartet große Resonanz gestoßen. Jetzt legt er nach und fordert in seinem neuen Buch, Schluss zu machen mit industriellem Fake- und Fast-Food, und die Zubereitung unseres Essens wieder selbst in die Hand zu nehmen. – Der einzige Weg, uns aus dem Griff der Lebensmittelindustrie zu befreien und eine Wende in der Agrarpolitik einzuleiten. Bei Gesprächen mit seinen Lesern, mit Erzeugern und Medizinern hat er festgestellt, dass ein großer Teil der Bevölkerung wohl für eine Agrar- und Lebensmittelwende bereit wäre, die Politik in Deutschland und der EU aber von starken Lobbyinteressen ausgebremst wird. Er möchte die Menschen wieder an den Herd holen und zeigt, wie man mit guten Rohstoffen und ohne großen Aufwand gesund und lecker kocht und wir dabei die Kontrolle über unsere Ernährung wieder zurückgewinnen. Viele Geschichten und Anekdoten aus seiner Kindheit, die ihn geprägt hat, aus der bewegten Zeit als Sternekoch und der Zeit nach seiner Abkehr vom ‚Sternezirkus‘, würzen das Buch.
Franz Keller gehört zu den renommiertesten Sterneköchen Deutschlands und konzipierte als einer der Ersten die ‚Neue Deutsche Küche‘. Dann verabschiedete er sich aus dem ‚Zirkus der Sterneküche‘, in dem die Form mehr zählt als der Inhalt, und verfolgt seitdem konsequent seine eigene Philosophie: Vom Einfachen das Beste. In seiner ‚Adler Wirtschaft‘ lebt er seinen Traum vom Kochen als Genuss-handwerk; auf seinem ‚Falkenhof‘ züchtet er artgerecht und naturnah die Tiere selbst, die er in seiner Küche verarbeitet. Seinen hohen ethischen Standards entsprechend, selbstverständlich komplett.Sein erstes Buch hat ihm in den Medien den Titel ‚Küchengott auf Kriegspfad‘ einge-bracht. Ein streitbarer Geist ist er noch immer, sein Anliegen schließlich noch das gleiche. Mit seinem neuen Buch liefert er ein leidenschaftliches Plädoyer für eine ehrliche Küche und fordert ein radikales Umdenken in der industriellen Nahrungs-mittelproduktion mit ihren fatalen Auswüchsen: Extreme Massentierhaltung, mit Gülle überdüngte Böden, und mit Pestiziden vergiftete Äcker.
Scharf kritisiert er Politik und Industrie, denen die Gesundheit der Bürger offenbar nicht viel bedeutet und der Profit im Vordergrund steht: „Wir subventionieren mit unserer Art der industrialisierten Landwirtschaft ein System, das die Umwelt zerstört, das Klima schädigt, das Tierwohl missachtet und die Menschen krank macht.“ So lockt das Brüsseler Subventionsmodell immer neue Finanzinvestoren an, die in großem Stil Ackerland aufkaufen, um dafür Subventionen zu kassieren. Kleine Bauern bleiben da auf der Strecke. Ein weiteres Beispiel für verfehlte Politik und Augenwischerei nennt er das milliardenschwere Unterstützungsprogramm für die Landwirtschaft. Denn, anstatt etwa die Nitratbelastung des Grundwassers an der Wurzel anzugehen, nämlich die Güllemengen durch einen echten Strukturwandel in der Landwirtschaft zu reduzieren, werden mit der ‚Bauernmilliarde‘ die katastrophalen Zustände nur weiter zementiert.
Auch die derzeit im Rahmen des Klimapakets der Bundesregierung diskutierte Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch von 7 auf 19 Prozent, beurteilt er kritisch, da sie pauschal gelten soll, egal, ob für Fleisch vom Biohof oder aus der Mastfabrik. Die an den Auswüchsen der Massentierhaltung nichts ändert und den Landwirten nicht hilft. „Fleisch muss teurer werden, das stimmt, aber damit ist keine schlichte Preiserhöhung gemeint, die dann im staatlichen Klingelbeutel landet.“
In die Reihe fehlgeleiteter Politik gehört auch der Deal, mit dem sich die EU verpflichtet hat, jährlich 45000 Tonnen US-Rindfleisch zu importieren, um zu verhindern, dass Einfuhrzölle für Autos aus Europa und insbesondere aus Deutsch-land drastisch erhöht würden. Durch die spezielle Art der widernatürlichen Turbo-Mast sind diese Rinder krank und das Fleisch von minderer Qualität. Aber genau davon importieren wir Unmengen auf langem Transportweg. Ein großartiger Klima- und Verbraucherschutz.
Mit viel Wissen, hoher Fachkompetenz, zeichnet Keller ein fundiertes Bild heutiger Nahrungsmittelproduktion, informiert und zeigt Alternativen auf, die letztlich zu einem radikalen Systemwandel in der Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft führten.
Sollen sich die unhaltbaren Zustände wirklich ändern, sieht er ganz wesentlich auch die Verbraucher in der Pflicht. Einmal, um unsere Macht zu nutzen und Politik und Lobbyverbände durch unser Konsumverhalten zu einem Systemwandel zu zwingen, aber auch, weil unser Essverhalten selbst auf den Prüfstand gehört: Anstatt Essen selbst und frisch zuzubereiten, greifen wir oft zu industriell produzierten Fertig-gerichten und billigen, ungesunden Lebensmitteln, die er eher als ‚Sterbemittel‘ bezeichnen würde.
Seine Argumente sind überzeugend und werden von Fachleuten verschiedener Bereiche, mit denen er in regem Austausch steht, mit deutlichen Zahlen und Verweis auf entsprechende Studien gestützt. Und so erhält der Leser neben fesselnder Lektüre umfassende Informationen den gesamten Themenkomplex Ernährung betreffend, der sowohl Politik, Wirtschaft, Nahrungsmittelproduktion, Massen-tierhaltung, industrialisierte Landwirtschaft umfasst, wie auch die Folgen für Umwelt und Gesundheit. In einem ausführlichen Rezeptteil liefert der Sterne-Koch ausge-wählte Rezeptvorschläge, mit frischen, authentischen Lebensmitteln, auf die er ausführlich eingeht, mit vielen Profi-Tipps, auch zur Grundausstattung einer Küche.
– Nicht als Statussymbol, sondern als Genusswerkstatt.
Dass heute Viele nicht mehr wissen sich gut zu ernähren, sieht man an den typischen Volkskrankheiten. Dazu lässt er Professor Nüssler sprechen, der in der Krebsforschung tätig ist, und aufzeigt, wie viele Krankheiten auf falsche Ernährung zurückzuführen sind und durch die richtige aber vermeidbar wären. Unserem Gesundheitssystem entstehen dadurch jährlich Kosten in Milliardenhöhe. Vom Leid der Betroffenen ganz zu schweigen.
„Ab in die Küche“ will Keller auch als einen Weckruf verstanden wissen, die Verant-wortung für unser Leben nicht einfach aus der Hand zu geben. Ist aber auch die Empfehlung einer Qualitätsoffensive für seine eigene Zunft, die mit der Ausbildung beginnt. Sein Wunsch wäre eine „Hochschule der nachhaltigen Kochkultur“, von der er schon eine Vorstellung hat.
„In der Küche, beim Kochen, geht es immer um das Wesentlichste, das Wichtigste überhaupt: Es geht um unser Leben. Denn was ist wohl das Geheimnis eines langen und gesunden Lebens? Doch wohl vor allem das richtige Essen!“ Sein Motto: „Lasst uns doch einfach mit echtem Genuss uns selbst und unseren Planeten retten.“