8.7.-20.11.16 Michael Buthe

8.7.-20.11.16 Michael Buthe

Michael Buthe und Ingvild Goetz – eine Freundschaft Haus der Kunst / Sammlung Goetz (08.07.-20.11.16)
welcome-0037.gif von 123gif.deMichael Buthe wurde 1944 in Sonthofen geboren und starb 1994 in Köln. Er studierte an der Werkkunstschule Kassel und an der Kunstakademie Düsseldorf. Der Beginn seines künstlerischen Schaffens fiel in die Zeit, in der das deutsche Informel und die American Minimal Art für viele Künstler prägend waren und man dem Medium Malerei eine Krise attestierte. Schon Michael Buthes frühe Stoffobjekte aus den 1960er- und ersten 1970er-Jahren waren hierauf eine Erwiderung mit taktilen Mitteln. Zielsicher und konsequent entwickelte er seit dem Entstehen seiner Stoffbilder das Medium der Malerei immer weiter in den Raum, setzte dem kühlen Konzept des Minimalismus ausgeprägte Sinnlichkeit entgegen und stellte die Frage nach dem Wert von Spiritualität in einer säkularen Gesellschaft.
Die Retrospektive zeichnet diese Entwicklungslinien nach und stellt das Oeuvre von Michael Buthe in Chronologie vor. Dabei ist das Werk von Michael Buthe keine Wiederentdeckung im eigentlichen Sinn; es erlangt jedoch durch Buthes Assimilation von anderen Kulturkreisen, insbesondere dem Nebeneinander von Visionen westlicher und östlicher Mystiker, neue Aktualität.
Sein räumliches Denken wird in der ursprünglich für die documenta IX geschaffenen Installation „Die Heilige Nacht der Jungfräulichkeit“ (1992) greifbar. Die Installation besteht aus Ritzzeichnungen, für die Michael Buthe den Körperumriss von Freunden eingefangen hat, und einem spiralförmigen Leuchter mit zahlreichen Grablichtern, von zwei goldenen Ovoiden bekrönt. Dieses alle Sinne ansprechende Erlebnis von helldunkel schimmerndem Gold und Kupfer, die abstrahlende Wärme der Kerzenflammen umfängt den Betrachter im „schwebenden Gedanken einer Kosmologie der Utopia Generale“ (Michael Buthe). „Die Heilige Nacht der Jungfräulichkeit“ ist Buthes letzte große Installation mit dem Rang eines Gesamtkunstwerks. Die Ausstellung vereint mehrere große Installationen; auch die „Taufkapelle mit Papa und Mama“, 1984 in einer Einzelausstellung in der Villa Stuck zu sehen, kommt für diese Ausstellung zurück nach München.
Von 1970 an pendelte Michael Buthe zwischen seinem Zuhause im Rheinland und Marokko hin und her. Ähnlich wie für Robert Rauschenberg auf dessen Reisen nach Italien, Frankreich, Indien und Israel, ergab sich für Buthe in Marokko die Zusammenarbeit mit Stofffärbern. Von der Veranlagung her ein Exzentriker mit Persönlichkeitsanteilen eines Egomanen, zeugen seine archaisch wirkenden Assemblagen, leuchtenden Papierarbeiten, intensiv bearbeiteten Leinwände, Collagen und Gemälde in Gold gleichzeitig von einer spirituellen Ausrichtung. Mit dieser Haltung, und speziell seinem Interesse an der Symbolsprache, Ornamentik und Mystik des Maghreb, durchdrang Buthe die Alltagswelt – etwa auch, wenn er „als geradezu manischer Sammler tief aus dem tosenden Leben zwischen Arbeit und Häuslichkeit, seinen Ritualen und seiner Festkultur schöpfte“ (Ulrich Wilmes).
Auch die sogenannten Tagebücher werden in die Ausstellung aufgenommen. Sie zeigen den präzisen formalen Gestaltungswillen des Künstlers, und wie er die zahlreichen integrierten Objekte zu einer Komposition arrangiert. Eins von ihnen ist wie eine Mumie umwickelt und versiegelt. So entzieht sich sein Inhalt dem Zugriff des Betrachters und bewahrt sein Geheimnis. Auch wenn Buthe der Leinwand als Bildträger Wunden zufügte, geschah dies nicht allein in aktionistischem Gestus und von Affekt getrieben. Zeichnungen, die ebenfalls ausgestellt sind, dokumentieren, welche Überlegungen er im Vorfeld solcher Aktionen angestellt hat – wenngleich er diese Planungen nie 1:1 umgesetzt hat.
Die Retrospektive leitet hin zu der grundsätzlichen Frage, vor der die Kuratoren stehen: Wie ist mit der Inszenierung von Buthes Werke heute umzugehen? Die Räume der Installationen, die er zu Lebzeiten geschaffen hat, sind bruchstückhaft dokumentiert – weil die Dokumentation von Ausstellungen damals nicht stringent üblich, und Michael Buthes Interesse am Akribischen gering war. Für ihn blieben auch die erschaffenen Werke veränderlich; wie z.B. das „Mäusenest“ aus Papier, Farbe, Wachs, Goldfarbe und Mäusekot, das zwischen 1970 und 1982 mehrere Stadien durchlief.
Im Spätwerk häufen sich bunte, vielgestaltige Assemblagen mit integrierten Fundstücken; beispielhaft hierfür steht „Landschaft (Spanische Energie)“. Demgegenüber scheint die Wandskulptur „Fliegende Landschaft“ im Begriff, sich in die Schwerelosigkeit zu erheben. Tatsächlich ist sie jedoch aus einer Eisenbahnschwelle gefertigt. Sie entstand 1992, zwei Jahre vor Buthes Tod.
Der Film „When love goes wrong nothing goes right“ (28 min; mit Udo Kier) wird im Treppenhaus gezeigt. Er zeigt Buthes engen Freund Udo Kier als flamboyanten Transvestit, der eines der Tagebücher durchblättert. Der Film reflektiert das nicht realisierte Projekt für die documenta 5. Buthe hatte vergeblich versucht, mit ihm befreundete marokkanische Musiker vom Volk der Gnawa nach Kassel zu bringen. Deren Gemeinschaft weist Ähnlichkeiten auf mit den Orden der Sufis. Ihre Musik ist dazu angetan, Spieler wie Zuhörer in ekstatische Zustände zu versetzen und wird im Film mit westlichen Post-Punk-Klängen zusammengeführt.
Der Katalog „Michael Buthe. Retrospektive“ wird herausgegeben von Kunstmuseum Luzern, S.M.A.K., Gent, und Haus der Kunst, München. Mit einem Vorwort von Fanni Fetzer, Philippe Van Cauteren und Okwui Enwezor. Mit Texten von Martin Germann, Dominik Müller, Heinz Stahlhut und Ulrich Wilmes; bei Hatje Cantz, Preis 34 €.
Pressekontakt: Dr. Elena Heitsch
 

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