6.12.18 Magdalena Jetelová

6.12.18 Magdalena Jetelová

6.12.18, 19h MAGDALENA JETELOVÁ – Projekte in globalem Kontext

Multimedialer Vortrag im Auditorium im Haus der Kunst 
Begrüßung:
Jiří Rosenkranz, Direktor – Tschechisches Zentrum München
Dr. Kristina Larischová – Generalkonsulin der Tschechischen Republik in München
Kuration und Moderation: Pavel Zelechovsky
 
Im Rahmen des Vortrages wird Magdalena Jetelovás neuestes Projekt vorgestellt:

PACIFIC RING OF FIRE, Patagonia/Chile 2018
und unter Verwendung eines Textes von Prof. Miroslav Petříček
(Philosophische Fakultät der Karlsuniversität in Prag) – gelesen von Dr. Peter Moritz Pickshaus –
in Kontext mit früheren Projekten gesetzt:
ICELAND PROJECT, 1992
ATLANTIC WALL, Denmark 1995
DOMESTICATION OF PYRAMIDS, MAK Wien, 1992
CONSTRUKTION IN PROCESS, Melbourne, 1998
Raum, Zeit, Natur, Kultur, Grenzen – mit diesen kolossalen Themen setzt sich die Künstlerin beständig aufs Neue auseinander. Dabei ist ihr kein Weg zu weit, kein Ziel unerreichbar: Ob es die Moldau in Prag ist, die Innenstadt von Wien, eine „renaturierte“ Tagebaulandschaft in Norddeutschland, ein Bergrücken in Island, die Eisberge vor der Küste Patagoniens oder der Himmel über uns – Magdalena Jetelova erobert ihr Material mit
naturwissenschaftlicher Ernsthaftigkeit, erfinderischem Einfallsreichtum und subversivem Humor. 
Dank an:
Leitung des Haus der Kunst München; Leif Rumke Institut; Tschechisches Zentrum München; Generalkonsulat der Tschechischen Republik in München; Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e. V. München
Pressekontakt: Bettina Pauly Kultur PR
In nachfolgendem Text werden Passagen aus dem Text von Miroslav Petříček zum Werk von Magdalena Jetelová Urbanisierung in kosmischem Maßstab zitiert (kursiv):
MAGDALENA JETELOVÁ fügt den Orten, an denen sie ihre Projekte realisiert, zusätzliche Konnotationen hinzu. Sie öffnet den Raum mitunter beinahe bis ins Unendliche.
Räume – in allen Bedeutungen und Abwandlungen des Wortes, also auch Zwischenraum, Nicht-Raum, Zeitraum, Gedankenraum…, sind Gegenstand ihrer künstlerischen Forschungsarbeit. 
…Sie erkundet an Orten auf der ganzen Welt Möglichkeiten wie man kritische Stellen konstruieren und sichtbar machen kann. Stellen, an denen verschiedene Räume verschmelzen oder sich durchdringen, wo sie sich kreuzen und wo sie ineinander verkeilt sind…
Mit großer Selbstverständlichkeit benutzt sie bei ihren Projekten modernste Technologien von denen sie fasziniert ist – Lasertechnik, corner reflectors, Satelliten, Drohnen, GPS …
Den Stein, den die Urmenschen aufgehoben haben um damit zu arbeiten, hat sie zwar weggeworfen, begegnet aber mit Respekt traditionellen Denkweisen und Methoden. Z.B. der Methode der Aborigines, die sich nach Sternen orientieren und mit den in Farbe getauchten Fingern, Punkte tupfend, ihre Wege markieren. Magdalena Jetelová verwendet statt der mit Fingern getupften Punkten corner reflectors, die die von einem Satelliten gesendeten Signale reflektieren und auf diese Weise geortet werden. Und sie lässt uns den Raum als Prozess erfahren.
…Die Projekte PACIFIC RING OF FIRE, 2018; ICELAND PROJECT, 1992 und ATLANTIC WALL, 1995 sind Gesten der Translokation. In dem Sinne, dass Magdalena Jetelová Orte mit anderen Ausmaßen und Maßstäben aufsuchte, deren Maß der geologische Raum (und deren Ort die geologische Bruchstelle) bzw. der geologisch-historische Raum (und deren Ort die Wand als Festung) ist…
…Translokation ist bei Magdalena Jetelová nie nur eine einfache Bewegung von einem zum anderen Ort, sondern Versetzung durch den virtuellen Raum. Translokation ist Verbindung, also das Erscheinen der Nahtstellen – und bei dem PROJECT ICELAND und dem PROJECT PACIFIC RING OF FIRE sogar der Nahtstellen bzw. Bruchstellen zwischen den Massen der Räume…
Beide Projekte fanden an den Bruchstellen zwischen tektonischen Platten statt.
…In Island folgte Magdalena Jetelová mit einem Laserstrahl der Form eines Bergrückens (der sich da wo die – europäische und amerikanische – tektonischen Platten aufeinander stoßen erhebt, aus dem Meer auftaucht und sichtbar wird): sie macht die Linie der Bruchstelle, der Linie der Nicht-Gleichmessbarkeit sichtbar bzw. verdoppelt  sie. Hier geht es wahrlich nicht mehr um Raum(er)forschung. Hier ist explizit die Linie der Nicht-Gleichmessbarkeit im Spiel, die gleichzeitig eine Klammer ist, die trennt und eine Trennung, die verbindet…
Bei dem PROJECT PACIFIC RING OF FIRE kam neben der Bruchstelle zwischen den ozeanischen und kontinentalen tektonischen Platten ein weiterer Aspekt hinzu. Magdalena Jetelová projizierte dort auf die in Folge des Klimawandels dahinschmelzenden Eisschollen und Eisberge kontextbezogene Wörter und Satzsequenzen – z.B. THE ESSENTIAL IS VISIBLE.
 
…PROJECT ATLANTIC WALL ist ein Revers des ICELAND PROJECTS. Es ist nicht ohne Ironie, dass die Linie der Festungen aus Beton von sich aus sichtbar ist. Magdalena Jetelová beschriftet sie lediglich mit Laserlicht und verdoppelt so die Linie. Die Ironie besteht darin, dass die Zivilisation in der Gestalt des Krieges auftritt. In der Form von Bunkern mit denen die Naturgewalt ihr spiel treibt… Die Bunker aus dem 2.WK wandern und versinken langsam im Meer. „Die Beschreibung“ dieser Festungen ist jedoch nicht passend. Sie deutet nicht darauf hin, was sichtbar ist sondern darauf hin, was fehlt. THE ESSENTIAL IS NO LONGER VISIBLE…
…Die Translokation kommt auch bei dem Werk DOMESTICATION OF PYRAMIDS vor (realisiert im Museum für Angewandte Kunst in Wien, in Rottweil, Dublin, Warschau und  im Martin-Gropius-Bau in Berlin): nackte Sandlandschaft, die die jeweilige Architektur durchdringt und gleichzeitig eine der geometrischen Grundformen (Pyramide) ist, die die Säulen, Balustraden und sogar Skulpturen durchschneidet. Das ausgestellte Ereignis ist jedoch vor allem die Diagonale dieses Schnittes, die die zwei heterogenen Räume trennt und verbindet.
…Den bisherigen Höhepunkt Magalena Jetelovás Forschungen bildet ganz sicher ihr Projekt CONSTRUKTION IN PROCESS – THE BRIDGE – ein globales Projekt in Australien, bei dem der Raum als Prozess zu Wort kommt und sichtbar wird. Als ausgebreitetes nicht vollendetes „Netz aus Lokalitäten, Aktionen und Informationen“. Bei diesem Projekt ist die Präzise Ausformulierung des Räumlichen des Raumes als eines Netzes aus Bezügen beachtenswert. Also das Fassen des Raumes „von innen heraus“, von seiner Ausbreitung aus und von einer Stelle, die jedoch nichts anderes mehr ist als eine Kreuzung möglicher Wege und Richtungsentscheidungen (die Umsetzung und Realisierung dieser Möglichkeiten ist Urbanisierung). Wobei jede Brücke eine Auswahl von verschiedenen Möglichkeiten anbietet. Magdalena Jetelovás Brücken führen nicht von hier nach dort. Sie decken Stellen auf (und die ihnen zugehörigen Räume), zu denen Brücken gebaut werden müssen. Die Brücke hat bei diesem Projekt mehrere Erscheinungsformen. Eine virtuelle: Translokation im Internet; eine ideale: die Linie des Weges von Melbourne nach New York (markiert mit corner reflectors) schreitet auf der Oberfläche der Erde vor und reflektiert in den kosmischen Raum zum Satelliten, der diesen Weg ortet.
Das ist ein Projekt, das den Atem verschlägt.
Wo ist der Ort, von dem aus wir etwas Derartiges noch beobachten können? Die Antwort ist einfach: Wir selbst sind der Ort, wir selbst sind der Knoten im Hypertext und auch die Diagonale der Nicht-Gleichmessbarkeit…

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