Kalenderblatt Donnerstag, 29. Dezember 2022
Zitat des Tages: „Viele Leute scheinen von der fixen Idee besessen zu sein, dass nicht nur im Zirkus, sondern auch in der Musik, Malerei und Literatur nur noch die Clowns eine Chance haben.“ Pablo Casals (1876-1973)
29.12.1890: Massaker am Wounded Knee
Die Rache des „Weißen Mannes“ für die 1876 erlittene Niederlage gegen die Indianer in der Schlacht am Little Bighorn entlädt sich am Morgen des 29. Dezember 1890 im Massaker am Fluss Wounded Knee. In einem Kavallerielager schlägt die US-Armee die „Geistertanzbewegung“, den letzten Aufstand der Indianer, auf brutale Weise nieder. 300 Indianer, darunter zahlreiche Frauen, Kinder und alte Menschen, werden von vier Schnellfeuerkanonen regelrecht durchsiebt.
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Nur 14 Tage zuvor war Häuptling „Sitting Bull“, der US-Regierung schon lange ein Dorn im Auge, von Soldaten festgenommen und bei einem Handgemenge getötet worden. Doch statt eines Vergeltungsakts versuchten die Indianerstämme Wut und Schmerz über den Verlust ihres ruhmreichen Häuptlings mit dem „Geistertanz“ zu bewältigen. Er gab ihnen neue Kraft und bestärkte sie im Glauben, dass ihre toten Verwandten im kommenden Frühjahr zu ihnen zurückkehren würden.
Wovoka, der „Messias“ der Paiute, beschwor sie: „Alle Indianer dürfen nicht aufhören zu tanzen. Bald, im nächsten Frühling, kommt Großer Geist. Er bringt zurück alles Wild. … Alle toten Indianer kommen zurück und leben wieder. … Wenn Großer Geist zurückkommt, gehen alle Indianer hinauf in die Berge. … Wenn sie hoch oben sind, kommt große Flut, und alle Weißen ertrinken und sterben.“
Doch die Prophezeiungen des weisen Mannes sollten sich nicht erfüllen. Viele der Sioux, die nach Sitting Bulls Tod aus Angst vor den Soldaten aus dem Reservat „Standing Rock“ geflohen waren, suchten Zuflucht in der Geistertanzbewegung oder schlossen sich Oglala-Häuptling „Red Cloud“ und „Big Foot“ vom Lager der Minneconjou an, in denen die US-Armee neue Unruhestifter witterte. „Big Foot“, der an einer Lungenentzündung erkrankt war, befand sich mit seinen Leuten auf dem Weg zum Pine-Ridge-Reservat, als er von einem Trupp des 7. Kavallerieregiments abgefangen wurde. Der zuständige Oberbefehlshaber teilte den Indianern mit, dass er Anweisung habe, sie in ein Zeltlager am Wounded Knee Creek zu bringen. Dort wurden die erschöpften Indianer, insgesamt 230 Frauen und 120 Männer, mit Proviant und Medikamenten versorgt.
Am nächsten Morgen wurden sie zusammengerufen, und man befahl ihnen, ihre Gewehre und sonstigen Waffen abzugeben. Nur ein junger, tauber Indianer namens „Black Coyote“ kam der Aufforderung nicht sofort nach. Als ihm ein Weißer das Gewehr entreißen wollte, löste sich versehentlich ein Schuss. Daraufhin feuerten die Soldaten unbarmherzig auf alles, was sich bewegte; als die wehrlosen Rothäute in Panik fliehen wollten, setzte die Armee ihre auf einem Hügel oberhalb des Militärlagers aufgestellten Hotchkiss-Kanonen ein. 300 von den insgesamt 350 Indianern starben entweder sofort und erlagen wenig später ihren schweren Verwundungen. „Sie schossen auf uns, als ob wir Büffel wären“, sagte Louise Weasel Bear, eine der wenigen Überlebenden des Massakers.
(Quelle: „Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses“, Dee Brown)
Gedenktage:
1989: Der tschechische Dramatiker und Reformer Václav Havel wird nach dem Umsturz in seinem Land zum Nachfolger von Gustav Husák (KP) und Staatspräsidenten der Tschechoslowakei gewählt. Vier Jahre später, im Januar 1993, wird Havel, der als Symbolfigur des „Prager Frühlings“ gilt, das Amt als erster Präsident der Tschechischen Republik übernehmen.
1937: In Irland tritt eine neue Verfassung in Kraft. Das Land, das bisher den Status eines „dominion“ (Herrschaftsgebiets im Britischen Commonwealth) einnahm, ruft die Republik Eire aus und erlangt weitgehend seine Unabhängigkeit vom britischen Empire.
1926: Wenige Wochen nach seinem 51. Geburtstag stirbt der Dichter Rainer Maria Rilke in seinem Wohnort Val Mont bei Montreux in der Schweiz an Leukämie. Den sensiblen Künstler, der kurze Zeit (1906) als Privatsekretär des französischen Bildhauers Auguste Rodin tätig war, hatten die Wirren des Ersten Weltkriegs in die Schweiz verschlagen, wo er 1923 seine „Duineser Elegien“ vollendete.
1845: Texas, seit dem 16. Jahrhundert in spanischem Besitz, seit 1821 mexikanisches Hoheitsgebiet und seit 1836 unabhängig, wird endlich amerikanisch. Schon seit über acht Jahren hatten die USA erfolglos versucht, sich die abgelegene, dünn besiedelte Provinz einzuverleiben. Mit der Annexion, die den Mexikanischen Krieg nach sich zieht, darf sich das US-Sternenbanner nun mit einem weiteren Sternchen, dem 28zigsten, schmücken.
1170: „Gibt es niemanden, der mir diesen unruhigen Priester vom Halse schafft?“ Dieser missverständliche Satz aus dem Mund des englischen Königs Heinrich II., der sich einmal mehr über seinen ungehorsamen Gottesdiener Thomas Becket, den Erzbischof von Canterbury, geärgert hatte, führt dazu, dass der Geistliche während der Predigt in der Kathedrale von vier königstreuen Höflingen ermordet wird.
Geburtstage:
1946: Marianne Faithfull; englische Sängerin. Die Pop-Ikone der 1960er-Jahre schrieb nicht nur mit ihrer Liaison mit dem Stones-Boss Mick Jagger und diversen Drogenexzessen Schlagzeilen, sondern begeisterte die Fans mit ihrer Version des Stones-Hits „As Tears Go By“. Lange von der musikalischen Bildfläche verschwunden, tauchte sie Ende der 1980er-Jahre mit dem wunderschönen Titel „The Ballad of Lucy Jordan“ wieder in den Charts auf. Und überraschenderweise auch auf der Kinoleinwand im sehenswerten Film „Irina Palm“ (2007).
1876: Pablo Casals († 22.10.1973); spanischer Musiker, Dirigent und Komponist. Der Violincellist, der zu den bedeutendsten seiner Zeit gehört, emigrierte 1937 ins südfranzösische Prades, wo er die dortigen Festspiele ins Leben rief. Eine der bekanntesten Kompositionen des katalanischen Künstlers, der zuletzt in Puerto Rico lebte, ist sein 1943 geschaffenes Weihnachtsoratorium „El Pesebre“.
1836: Georg Schweinfurth († 19.9.1925); deutscher Afrikaforscher lettischer Herkunft. Seine Forschungsreisen führten ihn ab 1860 nach Ägypten, in den Sudan und an den Kongo. Durch seine Berichte erfuhr die westliche Welt erstmals von der zwergwüchsigen Menschengruppe der Pygmäen.
1800: Charles Nelson Goodyear († 1.7.1860); US-amerikanischer Chemiker und Industrieller. Er gilt als Pionier auf dem Gebiet der Kautschukvulkanisation, begründete die moderne (Hart)gummi-Industrie und entwickelte in seinem Werk im Bundesstaat Ohio die nach ihm benannte Autoreifenmarke, die Autofahrern auch im 21. Jahrhundert ein Begriff ist.
1721: Jeanne Antoinette Poisson, bekannt geworden als „Madame de Pompadour“ († 15.4.1764); französische Mätresse. Die aus einfachen Verhältnissen stammende ehrgeizige Schöne kam als 24-Jährige an den Hof König Ludwigs XV. von Frankreich und gilt als Förderin der Kunst und Literatur ihrer Epoche. Ihr beträchtlicher Einfluss auf den Monarchen wirkte sich auch auf dessen politische Entscheidungen aus.
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