Kalenderblatt Donnerstag, 27. Juni 2024
Zitat des Tages: „Es liegt im Wesen der Jugend, dass sie das Bild der Zukunft, die sein soll, als berauschendes Phantasiebild in sich trägt.“ Eduard Spranger (1882-1963)
27.6.1993: Die tödlichen Schüsse am Bahnhof von Bad Kleinen
Auf dem Bahnhof der mecklenburgischen Stadt Bad Kleinen kommt es heute zu einem Schusswechsel zwischen Beamten der Bundesgrenzschutztruppe GSG 9 und den mutmaßlichen RAF-Terroristen Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld. Ein GSG-9-Beamter stirbt; auch Grams wird von mehreren Kugeln getroffen. Allerdings ist bis heute unklar, ob es sich um Selbstmord, um ein Versehen oder um vorsätzliche Tötung gehandelt hat.
Mehr Details:
Im März 1993 machte die Rote Armee Fraktion (RAF) nach längerer Pause wieder durch einen spektakulären Anschlag von sich reden: Der Sprengung des nahezu vollendeten Gefängnisneubaus Weiterstadt. Stasi-Akten und Informationen des V-Mannes Klaus Steinmetz führten den Bundesgrenzschutz auf die Spur von Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld, die zum letzten versprengten Häuflein ehemaliger Untergrundkämpfer der RAF gehören. Bei einer von Pannen begleiteten Verhaftungsaktion unter dem Decknamen „Weinlese“ sollten Grams und Hogefeld auf dem Bahnhof der mecklenburgischen Kleinstadt Bad Kleinen schließlich festgenommen werden.
Grams konnte zunächst flüchten. Im Zuge der Verfolgung durch GSG-9-Beamte kam es zum Feuergefecht, bei dem der Grenzschutzbeamte Michael Newrzella getötet wurde. Grams selbst wurde von mehreren Kugeln getroffen und stürzte aufs Bahngleis. Was dann geschah, ist immer noch ungeklärt, weil unmittelbar danach wichtige Beweismittel vernichtet wurden. Grams Eltern sind davon überzeugt, dass ein GSG-9-Mann wenig später dem reglos daliegenden Grams die Waffe entriss und ihn mit einem aufgesetzten Schuss in den Kopf förmlich hinrichtete. Erst 1998 musste das Landgericht Bonn allerdings die Zivilklage der Eltern gegen den Staat zurückweisen. Der Richter: „Wir wissen schlichtweg nicht, was genau passiert ist.“
Die ungeklärten Umstände des umstrittenen Einsatzes, der als Desaster von Bad Kleinen in die Polizeigeschichte einging, lösten eine politische Krise aus. In der Folge trat Bundesinnenminister Rudolf Seiters von seinem Posten zurück, Generalbundesanwalt Alexander von Stahl wurde entlassen.
Birgit Hogefeld wurde in Bad Kleinen verhaftet und im November 1996 zu dreimal lebenslänglich (plus zwölf Jahre für Weiterstadt) mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Sie war seit der Neukonstituierung der RAF im Jahr 1984 erst das zweite Mitglied, das der deutschen Justiz in die Hände gefallen war. Die RAF gab im Frühjahr 1998 ihre Selbstauflösung bekannt: „Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte.“
Gedenktage:
1977: Der afrikanische Staat Dschibuti wird souverän und erhält damit als letzte afrikanische Kolonie Frankreichs die Unabhängigkeit. Frankreich sichert sich durch einen Militärvertrag den Verbleib seiner Truppen im Land, das als Stützpunkt zwischen Rotem Meer und Indischem Ozean dient.
1974: Die deutsche Bankenaufsichtsbehörde ordnet die Liquidation der Kölner Privatbank Herstatt an. Misswirtschaft und Devisentermingeschäfte hatten zu Verlusten von mehreren Millionen Mark geführt. Durch einen kurzfristig von der Bundesbank ins Leben gerufenen „Feuerwehrfonds“ erhalten Kleinanleger mit Ersparnissen bis zu 20.000 Mark ihr Geld zurück.
1929: 40.000 Zuschauer verfolgen im New Yorker Yankee-Stadion den Kampf zwischen dem deutschen Schwergewichtsboxer Max Schmeling und dem Spanier Paolino Uzcudan. Schmelings Punktesieg über 15 Runden bringt ihm ein Preisgeld von 74.000 Mark und darüber hinaus die Anwartschaft auf einen WM-Kampf ein.
1905: In mehreren Häfen meutern Matrosen der russischen Flotte: Am berühmtesten wird die heutige, in späteren Jahren vom russischen Regisseur Sergej Eisenstein 1925 verfilmte Meuterei auf dem „Panzerkreuzer Potemkin“, dessen Besatzung nach der Revolte erstmals unter roter Flagge in den Hafen von Odessa einläuft.
1743: Im Verlauf des Österreichischen Erbfolgekriegs gerät Bayern heute unter die Verwaltung des Nachbarlandes und seiner Kaiserin Maria Theresia. Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, im Jahr zuvor als Karl VII. zum Kaiser des Hl. Römischen Reichs gekrönt, ergreift die Flucht nach Frankfurt am Main.
Geburtstage:
1955: Isabelle Adjani; französische Schauspielerin. Die aparte Künstlerin sieht man auf der Kinoleinwand häufig in historischen Rollen: z.B. als Königin Margot in „Die Bartholomäusnacht“ oder als blinde und gehörlose Bildhauerin in „Camille Claudel“. Auch im Genre Kriminalfilm, z.B. als eiskalte Killerin in „Ein mörderischer Sommer“, wirkt die schöne Französin überzeugend.
1930: Anna Moffo; US-amerikanische Opernsängerin italienischer Herkunft. Die weltbekannte Koloratursopranistin ist an der Mailänder Scala ebenso zu Hause wie an der New Yorker „Met“. Bekannt wurde sie mit Partituren aus „La Traviata“ von Giuseppe Verdi und „Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti. Ihre bevorzugte Bühne war die New Yorker Met, wo sie von 1959-76 Ensemblemitglied war.
1882: Eduard Spranger († 17.9.1963); deutscher Kulturphilosoph, Psychologe und Pädagoge. In seiner geistesgeschichtlichen Pädagogik vertrat er die Überzeugung, dass die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit unmittelbar mit dem kulturellen und ethisch-moralischen Umfeld in Zusammenhang steht.
1862: Johann Puch († 19.7.1914); österreichischer Ingenieur und Unternehmer. Dem Konstrukteur verdankt die Nachwelt die Erfindung des Mofas (1901). Aus seiner einstigen Fahrradfabrik wurde die Johann Puch AG, in der in späteren Jahren Motorräder, Autos und sogar Flugzeugmotoren (ab 1934 unter der Marke Steyr-Puch) gefertigt wurden.
1789: Friedrich Silcher († 26.8.1860); deutscher Komponist. Die Begründung der volksmusikalischen Breitenbildung zählt zu seinen Verdiensten, ebenso die Überlieferung vieler Volkslieder, zu deren Sammlung er Eigenkompositionen wie „Alle Jahre wieder“ oder vertonte Gedichte („Ännchen von Tharau“, „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“) hinzufügte.
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