Dr. Winfried Rathke
Parmigianino in Fontanellato
In der norditalienischen Kleinstadt Fontanellato entstand im Jahr 1000 ein Wehrturm, der sich unter der Familie der Sanvitali in ein Kastell verwandelte, das von Wehrtürmen flankiert und von einem Wassergraben umgeben wurde.
Dort besuchen wir einen Raum, der von dem Maler Parmigianino mit manieristischen Fresken geschmückt wurde.
Auf dem Deckenfresko ist die traurige Geschichte von „Diana und Akteion“ abgebildet. Der Jäger Akteion trifft während der Jagd unvermutet auf die Göttin Diana, die mit Ihren Begleiterinnen nackt in einem Teich badet.
Diana ist darüber so empört, daß sie den Jäger zur Strafe in einen Hirsch verwandelt, der von seinen eigenen Hunden zerrissen wird. Der Himmel ist zu einem blauen Oval geworden, zu einem Spiegel des Göttlichen. Akteion links unten im Bild, wird von Putten umgeben. Er ist zu einem „Diana-Hirsch“ geworden, gleichzeitig zu einer „Akteia“, die eine Medusenmaske berührt.
Die Besitzer der Burg, Graf Galeazzo Sanvitali und seine Frau Paola Gonzaga, hatten um dieses Fresko gebeten, denn ihr Sohn war ein Jahr zuvor gestorben.
Sie wollten mit diesem „respice finem“ an ihr totes Kind und die „Ungerechtigkeit des Schicksals“ erinnern.
Der Diana-Hirsch ist mit Pfeil und Bogen, wie die Jagdgöttin, gerüstet. Die Meduse war eine Gorgo, eine mythische Schreckgestalt, die Menschen in Steine verwandeln konnte. Sie symbolisiert hier den Schicksalsschlag, den die Eltern erlitten hatten. Parmigianino hatte besonders die vielen geflügel-ten Putten einfühlsam gemalt. Die Burgherren erkannten in ihnen immer wieder ihren Sohn.
Putto-Knaben, auch Eroten oder Amoretten ge-nannt, gehen auf Eros, den Sohn der Liebesgöttin Venus zurück und spielen in der dekorativen Bild-gestaltung seit der Renaissance eine wichtige Rolle. Diese Decke kann man auch als Paradies-gartenlaube und Symbol der Unschuld beschreiben.
Parmigianino hieß eigentlich Francesco Mazzola. Er hatte in Rom unter dem Einfluß des großen Raffael viel gelernt. Auch an Correggios Gemälden in Parma schulte er sich. Vasari beschrieb seine Malerei als „bella maniera“ Michelangelos, wodurch der Begriff Manierismus entstand.
Last, not least, sind auch die Hunde des Grafen-paares mit im Spiel und bewundernswert porträ-tiert. Im unteren Bild spritzt schon Blut aus der tödlichen Bisswunde. Auch hier endet die Erzäh-lung aus Ovids Metamorphosen mit dem Tod als Strafe. In Fontanellato ist der Jäger nicht mehr ein lüsterner Voyeur, der bei der Jagdgöttin in Ungnade geriet.
Er fiel seinen Moiren, dem „blinden Schicksal“ zum Opfer.
Das Thema „Diana und Akteion“ hat noch viele andere Künstler beschäftigt.
Für die Jäger ein Schrecken, für die emanzipierte Frau eine Genugtuung.
Dem Mann wurden Hörner aufgesetzt.
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Winfried Rathke