Kalenderblatt Donnerstag, 21. September 2023
Zitat des Tages: „Interessante Selbstgespräche setzen einen klugen Gesprächspartner voraus.“ H. G. Wells (1866-1946)
21.9.1998: Heute im Fernsehen: Der US-Präsident und die Praktikantin
Die Liaison zwischen dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Bill Clinton und Monica Lewinsky, einer Praktikantin im Weißen Haus, die schon seit Monaten Untersuchungsausschuss, Presse und Öffentlichkeit beschäftigt, gelangt heute zu einem kuriosen Höhepunkt: Die Videobänder von der Vernehmung des US-Staatsoberhauptes vor der Grand Jury werden in Auszügen, teils sogar in der langen „Vollversion“, weltweit im Fernsehen ausgestrahlt.
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Vielleicht lag es daran, dass die Lewinsky-Affäre bereits seit Monaten die Schlagzeilen beherrschte und die Öffentlichkeit des Themas allmählich überdrüssig wurde oder an der vorangegangenen Debatte, inwieweit die Veröffentlichung die Persönlichkeitsrechte Bill Clintons verletze, jedenfalls schaltete die Mehrzahl der deutschen Sendeanstalten bereits beim ersten Videoband ab. Wer dennoch Interesse verspürte, konnte auf dem News Channel CNN International in den folgenden Stunden die Vernehmung des Präsidenten zur Anstiftung der Praktikantin Monica zum Meineid mitverfolgen. Sensationshungrige Gemüter, die auf „schmutzige Wäsche“ via Mattscheibe hofften, erlebten eine herbe Enttäuschung. In der von Chef-Ankläger Kenneth Starr bis zum Exzess betriebenen Vernehmung ging es weniger um Fakten als um juristische Interpretationen und „Haarspaltereien“.
Die einzig echte Überraschung der TV-Ausstrahlung, so beschreibt es das „Jahrbuch Fernsehen“ des Adolf Grimme Instituts, sei gewesen, dass Zuschauer am Bildschirm zeitgleich mit dem Präsidentenverhör dessen unmittelbare Wirkung auf die Aktienkurse mitverfolgen konnten. CNN blendete während der gesamten Sendung den Dow-Jones-Index und dessen aktuelle Bewegungen in Echtzeit ein. Dabei überwand der Aktienindex erstaunlich rasch sein Kurstief, das er vor Öffnung der versiegelten Umschläge mit den Videobändern hatte hinnehmen müssen. Doch es kam noch besser: Mit jedem Wort aus dem Mund des Präsidenten, mit jeder Geste Clintons gegenüber dem unerbittlichen Ankläger kletterte der Kurs in die Höhe, bis er bei über 100 Punkten angelangt war.
Externe Beobachter mutmaßten, dass der medienbeflissene Präsident durch seine Weigerung, vor dem Kongress auszusagen, die TV-Ausstrahlung bewusst herbeigeführt habe. Der Medienrummel um das smarte Staatsoberhaupt und die dralle Praktikantin führte überdies Ende 1998 dazu, dass die Öffentlichkeit starke Zweifel an der militärischen Notwendigkeit des Angriffs der Vereinigten Staaten auf Bagdad hegte. Viele Menschen gelangten zu der Überzeugung, dass der von Clinton Mitte Dezember 1998 initiierte Blitzkrieg womöglich ein geschickter Schachzug war, um von der Lewinsky-Affäre abzulenken.
Gedenktage:
1998: Im Alter von nur 39 Jahren erstickt Florence Griffith-Joyner, die vierfache Medaillengewinnerin von Seoul, nach einem epileptischen Anfall im Schlaf. Mit 10,49 Sekunden über 100 m stellte die extrovertierte amerikanische Leichtathletin im Juli 1988 in Indianapolis einen neuen Weltrekord auf.
1964: Der Inselstaat Malta, im 16. Jahrhundert Lehen des Johanniterordens (auch Malteserorden genannt) und in späteren Zeiten Streitobjekt zwischen Frankreich und Großbritannien – ab 1814 jedoch britische Kronkolonie –, erlangt seine Unabhängigkeit innerhalb des Commonwealth.
1957: Das deutsche Segelschulschiff „Pamir“ gerät südwestlich der Azoren in ein schweres Unwetter und versinkt. Von den 86 Mann Besatzung an Bord gelingt zwar noch vielen die Flucht in die Rettungsboote, letztendlich überleben jedoch nur sechs Seeleute die Schiffskatastrophe.
1949: Mit dem Inkrafttreten des Besatzungsstatuts endet die Militärregierung in den drei westlichen Besatzungszonen; die gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt liegt wieder in den Händen Deutschlands. Am selben Tag unterzeichnen die alliierten Hohen Kommissare ein Presse- und Rundfunkstatut, das die Zensur seitens der Besatzungsmächte beendet und Westdeutschland die Pressefreiheit zurückgibt.
1869: Ein verheerender Brand zerstört die „Semper-Oper“, das nach Plänen des Baumeisters Gottfried Semper zwischen 1838 und 1841 errichtete Hoftheater in Dresden. Auch die Wiedererrichtung des sächsischen Opernhauses wird unter Semper erfolgen.
Geburtstage:
1947: Stephen King; US-amerikanischer Schriftsteller. Der „King of Horror“ (Roman: „Friedhof der Kuscheltiere“), dessen Verkaufszahlen – 100 Millionen gedruckte Buchexemplare – für sich sprechen, schockierte im Sommer 2000 zur Abwechslung mal seine Verleger, als er das erste Kapitel des Thrillers „The Plant“ für 1 Dollar Download-Gebühr ins Internet stellte. Vier von fünf Lesern bezahlten anstandslos den geforderten Lese-Dollar.
1934: Leonard Cohen; kanadischer Sänger und Songschreiber. Auch wenn die Glanzzeiten des in Montreal geborenen Künstlers schon eine Weile zurückliegen, haben seine wehmütigen Balladen, darunter „Bird On The Wire“ und „Suzanne“, bei den Fans einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Zu Meditationszwecken zieht sich der Liedermacher von Zeit zu Zeit in ein buddhistisches Kloster in den Bergen Kaliforniens zurück.
1931: Larry Hagman; US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur und Filmproduzent. Deutsche Zuschauer kennen ihn als Ekel „J.R.“ aus der US-Seifenoper „Dallas“. Dass er nicht immer ein „Fiesling“ ist, bewies die Serie „Bezaubernde Jeannie“, die von 1965-70 im Fernsehen lief. Privat ist der Texaner (übrigens einer der schärfsten Gegner von Präsident George W. Bush) seit 48 Jahren mit der schwedischen Designerin Maj Axelsson verheiratet, und zwar ohne alle Intrigen und Skandale.
1866: H. G. (Herbert George) Wells († 13.8.1946); englischer Schriftsteller, der mit seinem utopischen Roman „Die Zeitmaschine“ (1895) einen der ersten Klassiker im Genre Sciencefiction schuf. Dennoch trug sein zweimal verfilmtes Werk (die Neuverfilmung lief im März in den deutschen Kinos) nicht dazu bei, die eigenen Zweifel am Maschinenzeitalter zu zerstreuen.
1452: Girolamo Savonarola († 23.5.1498); italienischer Bußprediger. Der Dominikaner, der sich um die Sitten seiner Landsleute sorgte, fand seine Prophezeiungen eines göttlichen Strafgerichts im Sturz der Medici-Herrscher bestätigt. Der Sittenverfall am Hofe von Papst Alexander VI. war dem gestrengen Richter ebenfalls ein Dorn im Auge, was schließlich zu seiner Exkommunikation und zur Hinrichtung führte.
Copyright Rosmarie Elsner